Erntedank
Arme aufwärts und sträubte ihm die Nackenhaare. Es war die Krähe.
›Nur du und ich im Palmenhain, leise Musik und roter Wein … ‹
»Jemand hat ihren Schnabel benutzt, um dem Toten das Auge auszu … «
Das reichte. Kluftinger konnte nicht mehr. Er musste raus.
»O je, ich muss ja dringend weg«, rief er, verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen, die Pathologie, warf die Tür hinter sich ins Schloss, rannte die paar Meter bis zur nächsten Toilette, hastete in eine Kabine und knallte die Türe hinter sich zu.
***
Kluftinger hatte die Tür zum Sekretariat in seinem Büro noch nicht geschlossen, da kam Hefele schon zielstrebig auf ihn zu.
»Bist du krank? Du bist so blass um die Nase. Du, ich fahr jetzt nach Ursulasried, in Sutters Firma.«
»Ja, alles klar. Servus.«
Wenige Augenblicke später aber machte Kluftinger kehrt und rief Hefele im Treppenhaus nach, er solle warten.
»Ich fahr mit, man weiß ja nie.«
Nicht, dass sich Kluftinger besonders viel von einem Besuch in Sutters Firma versprach, aber so war er wenigstens an der frischen Luft, das würde nicht schaden.
Als Hefele in Kluftingers Passat stieg, verzog er das Gesicht.
»Uh, das ist ja ein heftiges Gschmäckle hier. Hast du einen Weißlacker an Bord?«
Kluftinger musste zugeben, dass es heute besonders streng roch im Auto. Auch er hatte in den letzten Tagen einen säuerlich-käsigen Geruch bemerkt. Er hatte aber bis jetzt nicht ausfindig machen können, woher er kam. Das heißt, er hatte zumindest einen leisen Verdacht: Als er neulich auf Erikas Geheiß auf dem Nachhauseweg noch Einkaufen gegangen war, war ihm dummerweise ein Sahnebecher unter einen Kopf Weißkraut geraten und dabei geplatzt. Die Einkäufe hatten lose auf dem Rücksitz gelegen, weil er sich das Geld für eine Tüte hatte sparen wollen. Als er das Malheur bemerkt hatte, war das meiste schon im Polster versickert. Allerdings hatte er das ganze gleich mit Spülmittel und Schwamm bearbeitet, so dass es daran eigentlich nicht liegen konnte. Oder doch? Kluftinger nahm sich vor, der Ursache noch nachzugehen, und bog in den Adenauerring ein. Die Fahrt tat ihm gut, das Fenster hatte er wegen der schlechten Luft weit geöffnet. Und als sie den Berliner Platz passiert hatten, bereitete es ihm kindliche Freude, als Polizeibeamter mit achtzig statt mit sechzig Kilometern zu fahren, um noch über die nächste Ampel zu kommen.
»Wo ist denn das genau?«, fragte Kluftinger seinen Kollegen, als er den Passat ins Kemptener Industriegebiet lenkte.
»Warte mal«, sagte Hefele und zog einen Zettel aus der Innentasche seiner weinroten Windjacke. »Porschestraße 37, Rückgebäude«.
Kluftinger kannte sich hier nicht besonders gut aus, nur selten führte sein Weg hier vorbei.
»Das muss da nach der Brücke sein, weil hier sind nur die ganzen Autohäuser.«
Porschestraße 37 war ein seltsames Gebäude, das auf Kluftinger einen etwas schäbigen Eindruck machte: Es schien alle möglichen Arten von Firmen zu beherbergen, wie an einer Tafel an der Einfahrt abzulesen war. Ein kleiner Verlag fand sich da ebenso wie eine offenbar türkische Teppichreinigung, während die Firma Baikal Impex Handelsbeziehungen nach Russland zu pflegen schien. Das Dentallabor schien Kluftinger überhaupt nicht in diese Umgebung zu passen. Dann schon eher »Steinbock Touristik«, deren Namen sich ebenfalls auf dem Schild fand. Scheinbar waren hier draußen, im Schatten der großen Müllverbrennungsanlage, die Mieten für Geschäftsräume noch erschwinglich.
Unten im Rückgebäude war ein Lager mit einer Laderampe. Die Räume von Baikal Impex. Kluftinger drückte gegen die Glastür zum Treppenhaus, auf der ein Aufkleber von Sutters Firma prangte. Sie sprang auf und die beiden Polizisten stiegen die Kunststeintreppe mit vergilbten und etwas verschrammten Wänden nach oben.
Die beiden Beamten blickten sich skeptisch um. Als sich ihre Blicke trafen, sagte Kluftinger: »Ein leichter Unterschied zu seinem Privathaus, oder? Da geht’s nobler zu.«
Hefele nickte. »Vielleicht läuft das hier doch nicht so rasend.«
Im ersten Stock befand sich eine Zwischentür, die zu Sutters Firma führte. Darauf klebte das Firmenlogo: Die Zeichnung einer grotesk wirkenden Mischung aus einem Steinbock und einem Omnibus. Darunter prangte ein weiteres Etikett mit dem Namen eines anderen Unternehmens: »Resona – Magnetfeld- und Wellnessprodukte«.
»Zwei Firmen?«, murmelte Kluftinger und drückte den Klingelknopf.
Nach etwa
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