Erntedank
echter Durchsuchungsbeschluss mehr beeindruckt hätte als die Dreistigkeit seines Vorgesetzten. Den Geruch im Auto nahm er darüber überhaupt nicht mehr wahr.
***
Kluftingers Fahrt nach Hause war geprägt von der Vorfreude auf seine eigenen vier Wände, die er gestern Abend und vor allem heute Morgen so schmerzlich vermisst hatte. Seine Frau hatte ihn per Handy verständigt, dass er gar nicht erst zu Langhammers fahren sollte, sondern gleich nach Hause. Dort versperrte noch der Lieferwagen des Klempners die Hofeinfahrt. Kluftinger wunderte sich, denn er dachte, dass bereits alles erledigt sei. Er parkte auf der Straße und ging ins Haus, während er misstrauisch das Auto beäugte.
»Bin da-hei-im«, rief er im Hausgang. Diese launigen Worte kamen ihm eigentlich sonst nur selten über die Lippen, aber heute brach sich die Freude über seine Heimkehr hörbar Bahn. »Mei, Schatzi, des isch aber schön«, antwortete eine krächzende Männerstimme aus dem Badezimmer. Er erkannte sie sofort: Sie gehörte Siggi, dem Klempner. Siggi, der, da war sich Kluftinger sicher, diesen Beruf nur ergriffen hatte, um ungehindert Witze übers »Rohrverlegen« machen zu können. Als der Kommissar die paar Schritte bis zur Badezimmertür gelaufen war, erwartete ihn dessen unrasierter, spärlich behaarter Schädel bereits mit einem breiten Grinsen.
»Wie war dein Tag?«, fragte er spöttisch und sein Grinsen wurde dabei noch breiter. Er trug wie immer seine dunkelblaue Latzhose und sein wirres Resthaar klebte entweder am Kopf oder stand in alle Richtungen ab. Kluftinger verzog das Gesicht. Er und Siggi kannten sich schon seit der Schulzeit. Trotzdem waren sie nie gute Freunde geworden, auch wenn sie so manche Nacht zusammen durchgezecht hatten. Auf jeden Fall war er der Klempner seines Vertrauens – und gleichzeitig der einzige am Ort.
»Wo ist meine Frau?«, fragte Kluftinger und ärgerte sich im selben Moment über die Frage. Damit hatte er Siggi nur eine neue Steilvorlage geliefert, die dieser sofort treffsicher verwandelte: »Deine Frau? Woher soll ich wissen, wo deine Frau ist. Also, du, wenn ihr Probleme habt, dann können wir gern drüber reden … «
Kluftinger winkte ab. »Schon gut, lass stecken. Wie sieht’s denn da aus?«, fragte er und deutete mit dem Kopf in Richtung Waschbecken. Erst jetzt entdeckte er, dass an der Stelle, an der gestern das Wasser ausgetreten war, ein Loch in der Wand prangte. Einige Putz- und Mauerteile lagen auf dem Boden davor.
»Schlecht, wenn du so fragst«, antwortete Siggi nun zum ersten Mal ernst. »Da isch ein Haufen hin«, schob er den Satz nach, für den er berüchtigt war, und blickte dann prüfend in Kluftingers Gesicht.
Auch wenn er nicht viel von handwerklichen Dingen verstand, etwas genauer als »ein Haufen hin« wollte er es schon wissen. Und vor allem wollte er wissen, was das finanziell für ihn bedeuten würde.
»Und das heißt … ?«
»Also«, Siggi holte tief Luft, als setze er zu einem längeren Vortrag an, »die Rohre … also deine Rohre sind nix mehr. Da müss ma ran, des hilft nix. Sonst hascht gleich wieder Läscht.« Auch das noch, stöhnte Kluftinger innerlich.
Er hörte, wie die Tür zum Keller geöffnet wurde. Das musste seine Frau sein. Schnell nahm er Siggi beiseite und flüsterte ihm verschwörerisch zu: »Hör zu, mach, was du machen musst, aber mach es schnell. Das Geld spielt keine Rolle.«
Bei seinen letzten Worten bemerkte er ein Funkeln in den Augen des Klempners und erschrak ein wenig über die Formulierung, die sich nach einem Achtziger-Jahre-Mafiafilm anhörte. Er zweifelte kurz, ob es richtig gewesen war, ihm das zu sagen, aber auch wenn sie keine dicken Freunde waren, vertraute er seinem alten Schulkameraden doch. Er war das, was man im Allgäu eine »ehrliche Haut« nannte.
»Was spielt keine Rolle?«, hörte er Erika auch schon fragen, die mit einem Wäschekorb im Türrahmen stand.
»Es … es spielt keine Rolle, wie lange es dauert, Hauptsache die Reparatur wird gut, hab ich dem Siggi grad gesagt«, versuchte Kluftinger auszuweichen. Seine Frau blickte die beiden ein paar Sekunden lang skeptisch an, dann hellte sich ihre Miene auf. »Ja, das find ich auch. Ich hab schon alles zusammengepackt, wir können dann gleich fahren«, sagte sie und er merkte ihr deutlich an, dass sie sich über die Verlängerung ihres Aufenthaltes bei den Langhammers irgendwie freute.
»Ja ja, ich komm auch gleich. Geh ruhig schon mal vor.« Kluftinger
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