Erntedank
einer Minute und erneutem Klingeln meldete sich eine Frauenstimme aus der Sprechanlage und fragte, worum es gehe. Kluftinger bückte sich und sagte »Kripo Kempten« in den Lautsprecher. Sofort surrte der Türöffner.
Eine Frau Anfang vierzig erwartete die beiden Polizisten in den Firmenräumen. Der Kommissar stellte sich und Hefele mit einem gebrummten »Kluftinger, mein Kollege Hefele, Grüß Gott Frau … « vor. Dass er nicht eben freundlich auftrat, lag an der Erscheinung der Dame: Sie war gertenschlank, Kluftinger würde später sagen »klepperdürr«, etwas zu stark und zu grell geschminkt, etwas zu braun gebrannt, etwas zu aufgebrezelt in ihrem Kostümchen.
»Guten Tag, Gerda Grenzmann, ich bin die Mitarbeiterin von Herrn Sutter und führe im Moment gezwungenermaßen die Geschäfte weiter. Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«
Schnippisch. Das war das erste Wort, das Kluftinger nach ihrer Vorstellung in den Sinn kam. Dazu sprach sie auch noch extremes Hochdeutsch, indem sie das »r« hinten am Gaumen rollte, wie es die Franzosen tun. »Wir hätten uns gern mal hier umgesehen und uns mit Ihnen unterhalten. Wenn Sie uns zunächst die Räumlichkeiten zeigen würden … « Um eventuellen Widerstand von Frau Grenzmann zu vermeiden, schlug er seinen Amtston an, der jede Diskussion überflüssig machte.
»Haben Sie denn einen Durchsuchungsbefehl? Ich habe hier das Hausrecht und weiß nicht, ob es im Sinne der Firma ist … « Damit kam sie Kluftinger gerade recht. Er fiel ihr abrupt ins Wort. »Zu viele Krimis geschaut, was, Frau Grenzmann? Durchsuchungsbefehl, ja? Ich sage Ihnen eines, wenn Sie versuchen, hier die Ermittlungen zu blockieren, dann kann es für Sie sehr schnell unangenehm werden. Ich würde Ihnen jedenfalls empfehlen, mit uns zusammenzuarbeiten.«
Die Sekretärin verstummte. Ein Blick in Hefeles verdutztes Gesicht zeigte Kluftinger, dass er es vielleicht etwas zu heftig angegangen war.
»Jedenfalls sind wir befugt, hier zu ermitteln, und Sie werden uns nicht daran hindern«, sagte Kluftinger etwas milder.
»Mag sein, dass Sie das sind. Sie haben also einen Durchsuchungsbefehl, den Sie mir jetzt sicher zeigen.« Die Dame hatte offenbar nichts von ihrer Selbstsicherheit eingebüßt. Kluftinger musste sich eingestehen, dass er nicht recht wusste, wie er nun reagieren sollte. Durchsuchungsbefehl für die Firma des Mordopfers, das war ja geradezu absurd. Den hatte er in seinem Berufsleben wirklich noch nie gebraucht. Und somit hatte er natürlich auch keinen beantragt. Er sah zu Hefele, der scheinbar unbeteiligt in der Tasche seines etwas zu großen schwarzen Sakkos kramte. Der würde ihm jetzt auch keine Hilfe sein.
»Erstens, Frau Grenzmann, heißt das, wovon Sie sprechen nicht Durchsuchungsbefehl, sondern Durchsuchungsbeschluss … und zweitens haben wir einen, Frau Grenzmann, bitte.« Der Kommissar zog ein Schriftstück aus seiner Jackentasche, reichte es ihr, um es ihr etwa fünf Sekunden später wieder aus der Hand zu nehmen und sie völlig ruhig darauf hinzuweisen, dass sie nun die Polizeiarbeit nicht über Gebühr verzögern solle, um nicht Schritte gegen ihre Person zu riskieren.
Kluftinger war gespannt, wie sie nun reagieren würde. Als Frau Grenzmann schließlich missmutig die Hand hob, in Richtung der Büroräume deutete und damit zwar nicht gerade einladend, aber doch deutlich zu erkennen gab, dass sie ihren Widerstand aufgegeben hatte, entspannte er sich innerlich ein wenig. Mit dem Anflug eines Grinsens zwinkerte Kluftinger Hefele zu, der ratlos zurückblickte.
Das erste Zimmer, in das sie die gereizte, nun aber zwangsweise kooperierende Frau führte, war bei genauerer Betrachtung eher ein Lager. An der Fensterseite fand sich reichlich Verpackungsmaterial, etwa ein großer Sack mit gelblichen Styroporchips, eine Folienrolle, gefaltete Kartons und Klebeband. Ansonsten war der Raum vollgestopft mit Kisten. Kisten, in denen sich, wie Kluftinger den Erklärungen von Frau Grenzmann entnehmen konnte, die Versandartikel der Firma Resona, einer Tochterfirma der »Steinbock-Reisen«, befanden. Kluftinger besah sich die Gegenstände, wusste aber beim besten Willen nicht, worum es sich handelte.
Er sah goldglänzende Metallkugeln; auf einer Palette befanden sich Marmorfliesen, die einzeln in Folie verpackt und mit einer Gebrauchsanweisung versehen waren. In der linken Hälfte des Zimmers standen Kunststoffboxen, aus denen Kissen, Federbetten und Wolldecken quollen.
»Wir
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