Erntemord
schien. Der Busch hatte sich schon wieder etwas aufgerichtet, doch er wuchs noch immer schräg – wie eine Palme, die durch den Wind niedergezwungen wurde.
Jegliche Fußabdrücke in der Gegend waren längst verblasst, von Regen und Wind zerstört, sodass Jeremy keinen Gedanken daran verschwendete, während er der Spur zerdrückter Büsche folgte, die aussah, als ob jemand einen Wagen oder eine Schubkarre hier durchgezogen hatte.
Die Spur führte sie weiter zurück.
Zurück zu der Begrenzung des letzten Maisfeldes.
Die Tür zur Bibliothek öffnete sich. Rowenna sah auf, weil sie Daniel erwartete.
Sie war verblüfft, Adam dort stehen zu sehen.
„Adam!“, rief sie, wobei ihre Überraschung schnell von Sorge abgelöst wurde. „Ist etwas passiert? Geht es Eve gut?“
Weder antwortete er, noch rührte er sich. Er starrte nur auf den Tisch, auf die Bücher, mit leeren Augen, als ob er einen Blackout hätte.
„Adam?“
Sie spürte, wie ihre Haut kribbelte, weil so etwas Merkwürdiges in seinen Augen stand. Und die Situation machte die Sache nicht besser. Sie befand sich allein mit ihm in einem Hinterzimmer des Museums, mit einer Reihe von Wachsmördern direkt vor der Tür.
Und Adam – ihr Freund, von dem sie einst gedacht hatte, sie kenne ihn so gut – las Bücher über Satanismus und Zaubersprüche, um den Teufel in seinen Leib zu holen, damit er durch das Blutopfer von Frauen unsterblich wurde.
Die Atmosphäre und Adam verunsicherten sie. Gänsehaut überkam sie.
Sie wollte aufspringen und weglaufen, doch Adam blockierte die Tür.
„Adam?“, fragte sie leise und beruhigend. „Lass uns nach draußen gehen. Ich bin hier sowieso schon zu lange drin – ich brauche eine Pause.“
Sollte sie schreien? Vielleicht würde sie jemand hören und ihr zu Hilfe eilen. Befand sich irgendetwas im Raum, das sie als Waffe benutzen konnte?
Bücher. Alles, was sie hatte, waren Bücher. Sie musste fast lachen bei der Vorstellung, wie sie ihm ein unbezahlbares Werk über satanische Rituale über den Kopf zog. Zumindest läge eine gewisse poetische Gerechtigkeit darin, dachte sie.
Er schien wieder in der Gegenwart anzukommen. Seine Augen klarten auf und richteten sich auf sie. „Ich bin deinetwegen gekommen“, sagte er.
„Was?“, flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Ich meine, ich bin hier, um dich zu sehen. Ich … Ich war nicht ganz ehrlich zu dir.“
„Du musst auch nicht immer ganz ehrlich zu allen Menschen sein“, sagte sie unbehaglich.
Er schien sie nicht zu hören. „Ich habe dir gesagt, dass ich Eve liebe, und das tue ich. Aber etwas stimmt nicht, stimmt überhaupt nicht. Sie hat Angst vor mir.“ Er trat weiter in den Raum. Sie wich zurück, und er hielt verärgert inne. „Du hast auch Angst vor mir“, sagte er bitter. Dann zog er auf der anderen Seite des Tisches einen Stuhl hervor und ließ sich hineinsinken. Er sah erschöpft und niedergeschlagen aus.
Rowenna begriff, dass er ihr nichts tun würde.
Jedenfalls nicht hier und nicht jetzt.
„Adam, los. Sprich mit mir“, sagte sie.
„Blackouts.“
„Was?“
Er schüttelte den Kopf und sah sie dann aus trostlosen Augen an. „Rowenna, ich habe Blackouts. Ich finde mich irgendwo stehend wieder und habe keine Idee, wie ich dort hingekommen bin. Und dann ist Eve sauer auf mich, wenn ich fortgehe. Ro, ich habe Angst.“
Du hast Angst? dachte sie.
Konnte ein Mensch während eines Blackouts eine Frau entführen, vergewaltigen, quälen und dann ermorden? Oder war das hier nur Schauspielerei?
„Adam, wenn du Blackouts hast, musst du zu einem Arzt“, sagte sie.
Er sah sie an und schauderte. „Ich hasse Ärzte“, erklärte er.
„Adam, niemand geht gerne zum Arzt, aber wenn du krank bist, hast du keine andere Wahl.“
„Was, wenn … was, wenn ich während einem dieser Aussetzer irgendetwas Furchtbares getan habe?“, fragte er. Seine Augen und seine Stimme zeugten von seiner Qual. Er holte eine Packung Kaugummi aus seiner Jackentasche, öffnete sieund sah sie dann plötzlich verwirrt an, als ob er völlig vergessen hätte, was er da tat.
„Konzentrieren wir uns auf die Blackouts“, sagte Rowenna. „Du brauchst Hilfe. Ich glaube, du solltest sofort zu einer Notaufnahme fahren, bevor du verletzt wirst oder … oder irgendwas anderes.“ Sie konnte sich einfach nicht überwinden, ihn noch mehr aufzuregen, indem sie sagte „oder du jemanden anderen verletzt“. Sie sah ihn vertrauensvoller an, als sie sich fühlte, und sagte:
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