Erntemord
erringen. In einigen abgelegenen Dörfern aufdem Kontinent wurden noch immer zu jedem Erntefest sieben Ziegen geschlachtet. Und viele hielten den siebten Sohn eines siebten Sohnes noch immer für einen Magier, einen Gott oder einen Menschen mit gottähnlichen Kräften.
Sie blätterte um und erblickte die grobe, jahrhundertealte Zeichnung eines roten Teufels, der auf einem hohen Thron saß. Er hatte Hörner und strich über seinen ziegenähnlichen Bart. Statt Füßen hatte er gespaltene Hufe, und hinter seinem Körper lugte ein Schwanz mit einer pfeilförmigen Spitze hervor.
Sein anderer Arm war ausgestreckt. Seine Finger mit den lächerlich langen Krallen umfassten den Hals einer Frau, die eine Blätterkrone und einen goldenen Mantel trug, auf dem Wein rankte. Den Kopf hatte der Teufel zurückgeworfen; er erwürgte sie mit nur einer Hand.
Auf einem schwarzen Altar vor ihm lagen in weißen Kleidern und mit weit aufgerissenen Augen und Mündern sechs abgeschlachtete junge Frauen in einer Blutlache. Die Bildunterschrift lautete: Er muss sie erkennen, und er muss sie lieben. Und so soll er zu neuem Leben erwachen durch das Blut der Sieben, die er genährt und geopfert hat. Sieben, und er wird für alle Zeiten über alles regieren, der Gott der Unzucht.
Sie stieß das Buch beiseite und fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Dies war die Neuzeit. Dies war das Hier und Jetzt. Doch das spielte keine Rolle.
Sie mochten sie noch nicht gefunden haben, doch es gab noch mehr Leichen dort draußen.
Und es würde weitere geben.
Der Schnitter glaubte, dass er der Erde, der Natur sieben Frauen opfern musste, um die Ernte und seine eigene ewige Macht zu sichern.
Und er musste seine blutige Arbeit vor dem Thanksgiving-Tag beendet haben.
17. KAPITEL
Die Straße, die nordwestlich des MacElroy-Hauses entlangführte, war in schlechtem Zustand und zwang Jeremy, langsam zu fahren. Nicht dass er vorgehabt hatte zu rasen, schließlich wollten er und Brad sich in Ruhe umsehen und nach etwas Verdächtigem Ausschau halten.
Er wusste, wenn der Mörder die entführten Frauen irgendwo festhielt, musste das in einer ruhigen Gegend geschehen. Und wenn Ginny MacElroy Lichter gesehen hatte, wo keine Lichter sein sollten …
Sie hatten meilenweise Maisfelder passiert, bevor sie schließlich das öde Brachland erreichten, wo der Boden zu trocken und geröllig war, als dass dort Mais oder andere Feldfrüchte hätten gedeihen können. Er bemerkte, dass die Einöde weniger als eine halbe Meile hinter Eric Rolfes Haus begann, das tatsächlich wie der Anfang vom Ende der Welt wirkte. Es gab noch ein kleines Maisfeld und dann meilenweit nichts anderes als mit Farn überwachsenes Brachland mit gelegentlichen Felsformationen.
Er hielt an, als sich die Straße vor ihnen zu einer engen Piste verjüngte, und starrte eine Minute lang in die Ödnis um sie herum.
„Was willst du tun?“, fragte Brad.
Jeremy stieg aus und ging ans Ende des aufgerissenen Pflasters, wo hoher Farn, Büsche und Dickicht begannen. Er beschirmte die Augen mit der Hand und starrte hinaus zu den Feldern und den Häusern im Südwesten. Die Schotterstrecke schlängelte sich durch das Land und verschwand in der Ferne. Er ging los und sah sich dabei links und rechts um.
„Ich gehe den Weg zurück und schaue, ob ich etwas finde, was wir übersehen haben“, sagte Brad.
Jeremy nickte und ging weiter.
Eine Nadel in einem Heuhaufen, dachte Jeremy. Herrje,das klang sogar leicht im Vergleich zu dem, was er zu finden versuchte.
Es war alles so überwuchert hier, dass jedes Anzeichen eines Körpers, einer Hütte, eines alten Kellers fast unmöglich zu finden war. Dennoch kämpfte er sich hartnäckig vor und untersuchte das Gebüsch neben der Piste nach einem Zeichen, dass es zertrampelt oder sonst irgendwie betreten worden war. Zuerst fand er nicht mehr als ein geknicktes Blatt oder einen abgebrochenen Zweig. Unter seinen Schuhen spürte er den harten, getrockneten Schmutz der Piste. Trotz des bevorstehenden Winters brannte die Sonne. Zwar war sie schon im Absteigen begriffen, doch hier, jenseits der großen Bäume und hohen Gebäude, hatten ihre Strahlen noch Kraft.
„Hey!“, rief Brad aufgeregt aus der Ferne.
„Was?“, schrie er zurück.
„Komm her!“
Er drehte sich um und rannte zurück zu Brad, der stumm auf etwas deutete.
Brad hatte eine Stelle neben der Straße gefunden, wo ein Busch praktisch komplett niedergewalzt worden war, auch wenn der Schaden schon älter zu sein
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