Erntemord
ins French Quarter?“
„Sie kommen auf mein Angebot mit dem Drink zurück?“ Das tat er. Er wusste nicht genau, warum, doch er tat es.
Er mochte den Klang ihrer Stimme. Ihn interessierte, was sie zu sagen hatte. Er fühlte sich zu ihr hingezogen – herrje, jeder Mann, der nicht schwul war, würde sich zu ihr hingezogen fühlen –, obwohl er noch immer das Gefühl hatte, eine Art Grenze zwischen ihnen zu benötigen.
Nicht dass das jetzt eine Rolle spielte. Heute war’s das. Sie würde nach dem heutigen Abend abreisen. Keine weiteren Debatten. Ihre Wege würden sich nicht mehr kreuzen.
„Ja, lassen Sie uns das tun“, sagte er. „Ehrlich gesagt könnte ich auch eine Kleinigkeit zu essen vertragen.“
Sie fuhren zu einem ruhigen Restaurant in der Royal Street, wo Rowenna Tee und Flusskrebse bestellte. Jeremy entschied sich für Jambalaya.
„Erzählen Sie weiter“, bat er, nachdem man ihnen ihr Essen serviert hatte. „Ich möchte mehr über die heutigen Hexen wissen.“
„Tatsächlich?“, fragte sie.
„Ja, tatsächlich.“
Sie hob zweifelnd eine Braue und legte dann los. „Die Hexen-Gemeinde von Salem geht auf die frühen siebziger Jahre zurück, als eine Frau namens Laurie Cabot, die heute als offizielle Hexe von Salem betrachtet wird, in die Stadt kam. Inzwischen gibt es mehrere Tausend praktizierende Wiccaner in der Gegend. Sie hätten ernste Schwierigkeiten, wenn die Puritaner von einst noch am Ruder wären. Ironischerweise verließen diese England, um nach religiöser Freiheit zu suchen, und verfolgten dann jeden, der nicht ihren Geboten folgte. Aber Wiccaner – falls es sie damals gegeben hätte – hätten den Satanismus niemals so praktiziert, wie es die Hexen von Salem getan haben sollen. Der Teufel ist ein christliches Konzept, ein gefallener Engel. Deshalb können Wiccaner den Teufel gar nicht anbeten und auch keinen Pakt mit Satan schließen, denn in ihrer Religion existiert er gar nicht. Das heißt nicht, dass es dort draußen keine Satanisten gibt, denn die gibt es, doch das ist eine komplett andere Philosophie.“
Er blickte sie an und nickte ernst. War dies eine Vorlesung über die Ironien der Menschheit, die er wirklich brauchte? Auf gewisse Weise vielleicht ja.
Brad und Mary waren nach Salem gefahren. Mary war verschwunden. Er musste so viel wie möglich über den Ort in Erfahrung bringen, und Rowenna wusste viel darüber. Außerdem war sie schön und bezaubernd und der Duft ihres Parfums atemberaubend. Hypnotisierend. Er spürte, wie sein Puls aus dem Takt geriet.
Sie hatte niemals behauptet, Gedanken lesen zu können, doch er fühlte, dass sie seine Gedanken kannte. Dass er nämlich nicht daran glaubte, dass Hexen oder Satanisten, reale oder eingebildete, frühere oder heutige, irgendetwas mit Marys Verschwinden zu tun hatten. Dass vielmehr die Wahrscheinlichkeit groß war, dass ihr etwas Schreckliches zugestoßen war.
Außer irgendjemand dort draußen glaubte, dass er den Befehlen Satans folgte.
Sie lächelte. „Sie glauben, dass jeder, der eine alte und fast ausgestorbene Religion praktiziert, ein Idiot ist.“
„Es kümmert mich nicht, ob jemand Palmen anbetet – solange er seinen Glauben nicht als Vorwand nimmt, um einen anderen zu verletzen oder zu töten“, sagte er.
Sie lachte. Ihre Augen sehen dabei aus wie flüssiges Gold, dachte er. „Dann werden Sie die Wiccaner mögen. Wie ich schon sagte, sie tun nichts Böses, weil das Böse dreifach zurückkommt.“ Sie zuckte die Achseln. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand die Antworten auf die Plagen dieser Welt hat. Wir alle möchten daran glauben, dass Menschen, die andere verletzen, dafür bestraft werden – in dieser Welt oder in der nächsten. Oder besser noch, jetzt und im Jenseits, wenn man an ein Jenseits glaubt.“
„Wollen Sie damit sagen, dass Sie es nicht tun?“, fragte er.
„Das tue ich definitiv.“ Sie schauderte leicht, als sie das sagte.
„Sie denken an etwas anderes, oder?“, fragte er.
Sie blickte überrascht und grinste ihn reumütig an. „Dort wo ich herkomme, gibt es eine Legende über eine Art Schwarzen Mann. Wir nennen ihn den Schnitter. Er ist eine Kreatur des Bösen – eine Mischung aus alten heidnischen Ritualen, dem Glauben der amerikanischen Ureinwohner und natürlich dem Konzept Satans. Wenn jemand verschwindet oder es für etwas Schreckliches keine Erklärung gibt, schreiben wir es dem Schnitter zu. Er hat keine Hörner und keinen Schwanz. Tatsächlich sieht er gar
Weitere Kostenlose Bücher