Erntemord
Ich lasse gerade Flugblätter verteilen; mit etwas Glück werden wir also bald wissen, ob sie einige Zeit in der Stadt verbracht hat. Ich kann nur beten, dass uns jemand auf eine Spur bringt, denn im Moment habe ich nur einen unsichtbaren Mann und ein paar Vögel. Und natürlich Mary Johnstones Mann, doch wenn man davon ausgeht, dass seine Frau und Dinah Green Opfer desselben Verbrechers sind, scheint er doch allmählich von jedem Verdacht befreit.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich muss die Eltern anrufen und ihnen sagen, dass ihr Schwiegersohn vermutlich ebenso unschuldig ist wie sie. Ich weiß, es wird nicht leicht sein, aber in der Zwischenzeit wäre ich froh, wenn du mich hinaus zum Maisfeld begleiten würdest.“
„Was glaubst du denn, was ich finden kann, das all eure Techniker übersehen haben?“, fragte sie. Sie wusste, dass sie ablehnend klang, doch sie konnte nicht anders. Sie wollte nicht zurück zu dem Maisfeld. Niemals.
„Ich weiß nicht, was du mit der dir eigenen speziellen Logik finden wirst“, sagte er. „Aber ich hoffe ganz sicher, dass du etwas findest.“
„Wann?“, fragte sie und spürte, wie ein Anflug von Fatalismus sie ergriff.
„Jetzt“, sagte er ernst.
Jeremy war froh, dass es ihm gelungen war, sich mit Joe Brentwood gut zu stellen, denn Brentwoods Akzeptanz schien ihm Zugang zu allen Informationen zu geben, die er brauchte.
Auf dem Weg zu seinem Wagen holte er das Handy heraus und rief Brentwood an, doch der nahm nicht ab. Ein Anruf beim Revier verband ihn mit Detective Ivy Sinclair, die ihmdie Adresse von Eric Rolfe gab. Er bedankte sich für die Hilfe und fuhr stadtauswärts auf genau jener Straße, die zum Haus der MacElroys führte, vorbei an Rowennas Haus und dann ein bisschen weiter und nach links zum Besitz von Eric Rolfe.
Offenbar war Eric Rolfe kein Mann, der seinen Erfolg zur Schau stellen musste.
Das alte Farmhaus brauchte dringend einen Anstrich, und der Vorgarten war voll mit allerlei Krempel – Holz, Metallabfälle, Stein und Marmor –, der ungeordnet auf dem Boden verstreut lag oder auf einer Reihe nicht zusammenpassender kaputter Stühle. Außerdem standen Farbdosen im Garten, Plastikeimer, die mit etwas gefüllt waren, das wie Schutt aussah; daneben lag ein Haufen von Stoffen.
Rolfe saß in einem Sessel und schliff ein langes Stück Holz. Er sah neugierig auf, als Jeremy mit seinem Mietwagen in die Einfahrt fuhr, und nickte freundlich zur Begrüßung.
„Hallo“, sagte Rolfe einfach. Er war ein großer Mann, wie Rowenna es gesagt hatte, hatte aber im Laufe der Jahre an Gewicht verloren, sodass man ihn wohl kaum noch als kräftig bezeichnen konnte, auch wenn seine nackten Arme unter den aufgekrempelten Ärmeln eines alten grauen Pullovers sehr muskulös waren. Er hatte langes hellblondes Haar, doch sein Vollbart war mit Rot durchsetzt. Er lächelte erneut unter all dem Haar und sagte: „Hey, kann ich etwas für Sie tun?“
Jeremy schlenderte auf ihn zu und stellte sich vor.
„Unten vom Big Easy, nicht wahr?“, fragte Rolfe höflich.
„Erst kürzlich“, sagte Jeremy. „Mir war nicht klar, dass das allgemein bekannt ist.“
Rolfe grinste breit. „Ich weiß alles über Sie. Salem ist eine ziemlich kleine Welt.“ Er wedelte mit der Hand in Richtung Stadt. „Nett, Sie kennenzulernen. Was verschafft mir die Ehre, dass Sie hier herausgefahren sind?“
„Dinah Green“, sagte Jeremy unverblümt.
Der andere runzelte leicht die Stirn und schien nachzudenken. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, ich weiß nicht, wer das ist. Sollte ich das?“
„Sie ist die Frau, deren Leiche im Maisfeld gefunden wurde.“
Rolfe lächelte verhalten. „Ich verstehe. Und weil ich Teufelsmasken herstelle und in der Nähe des Maisfeldes wohne …“
„Und gerade zurückgekehrt sind, nachdem Sie eine lange Zeit woanders gelebt haben“, fügte Jeremy gleichmütig hinzu.
„Ich habe kein Alibi. Ich lebe allein“, sagte Rolfe.
„Das sind ziemlich bizarre Masken, die Sie da fertigen“, wechselte Jeremy das Thema.
Rolf nickte. „Ja, ich war auch ein ziemlich bizarres Kind. Ich liebte schon immer das Kino. Haben Sie je „American Werewolf“ gesehen? Das war für mich der Auslöser. Sie vergaben in jenem Jahr einen neuen Oscar für Special Effects, weil er so gut war.“
„Ich habe ihn gesehen“, sagte Jeremy. „Mir hat er gefallen.“
„Wollen Sie reinkommen? Möchten Sie ein Bier oder etwas anderes?“, fragte Rolfe.
„Gerne.“
„Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher