Erntemord
ein finsteres Gesicht. „Ich schwöre, ich habe ihn nicht erkannt … Andererseits trug er einen Turban. Und Makeup. Einen Bart – einen falschen Bart, das kann ich Ihnen versichern. Es ist, als versuche man Santa Claus zu erkennen, wissen Sie?“
Jeremy holte seine Karte aus der Tasche. „Wenn Ihnen noch irgendwas dazu einfällt …“
„Ja, ja, dann rufe ich Sie an.“
Jeremy lachte. „Wenn Sie Fakten haben, rufen Sie die Cops an. Aber wenn Ihnen irgendwas einfällt, dessen Sie sich nicht ganz sicher sind, dann rufen Sie mich an.“
„Ist mir ein Vergnügen. Wie geht es übrigens Ro?“
„Gut.“
„Gut?“, echote Rolfe zweifelnd.
„Wundervoll“, sagte Jeremy.
Rolfes Grinsen wurde breiter. „Richten Sie ihr meine Grüße aus. Ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen.“
„Ich bin sicher, Sie bekommen sie bald zu Gesicht. Und Sie wissen, ich bin hier, um einem Freund zu helfen.“
„Brad Johnstone“, sagte Eric.
„Haben Sie ihn kennengelernt?“, fragte Jeremy.
Rolfe schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Aber ich lese Zeitung, und die ganze Stadt spricht darüber. Oder sprach darüber.“ Er seufzte. „So ist der Lauf der Welt. Eine Leiche schlägt eine vermisste Frau.“ Eric schwieg einen Moment. „Aber ich habe ihn an Halloween gesehen. Ihn und seine Frau.“
„Wo?“
„Sie gingen Händchen haltend auf den Friedhof.“
„Sie sahen sie hineingehen, sahen Mary aber nicht herauskommen?“
„Ich habe ihnen nicht hinterhergeschnüffelt, sondern bin einfach nur zufällig in dem Moment die Straße hinuntergegangen“, sagte Rolfe müde und ungeduldig. „Man konnte sie nicht übersehen, denn sie waren schön. Das musste ich zugeben. Ich dachte, sie würden die perfekte Eröffnungsszene für einen Horrorfilm abgeben. Das schöne Paar, die einsetzende Dämmerung, die alten Grabsteine. Ich sah sie hineingehen und bin weitergegangen.“
„Niemand hat etwas gesehen“, murmelte Jeremy.
„Herrje, es war Halloween. So ziemlich alles könnte passiert sein, und niemand hätte sich etwas dabei gedacht“, sagte Rolfe.
Er stand auf und verließ die Küche. Jeremy hatte keine Wahl, als ihm zur Eingangstür zu folgen.
Doch auf dem Weg hielt Eric im Wohnzimmer plötzlich inne und starrte auf sein Bücherregal.
„Wissen Sie, ich habe zu meiner Zeit einige makabre Makeups gemacht. Ich habe eine wunderschöne Frau aussehen lassen wie ein altes Weib und den Frauenschwarm des Monats wie eine dreitausend Jahre alte Mumie. Ich habe Menschen wie Bäume aussehen lassen, wie Ziegen, Hunde, Bären und was weiß ich. Und doch …“
„Und doch?“
Eric Rolfe wandte sich um und blickte Jeremy an. „Und doch ist da immer etwas mit den Augen, egal was Sie tun – sogar bei Kontaktlinsen. Ich kann jemanden in seiner Maske dennoch an seinen Augen wiedererkennen.“ Er zögerte einen Moment. „Und das ist es, was mich jetzt so wahnsinnig beunruhigt. Es waren seine Augen. Von diesem Damien. Er starrte mich an … und ich hatte das Gefühl, ihn zu kennen und nicht zu mögen, was ich kannte. Da war etwas in der Art, wie er mich ansah.“
„Was war mit seiner Stimme?“, fragte Jeremy.
Eric wirkte überrascht von der Frage.
„Ich weiß nicht.“
„Na ja, wie klang er?“
Rolfe dachte nach. „Er hatte keinen ausgeprägten Akzent, aber … er klang vielleicht ein bisschen britisch. Er hatte definitiv keinen Bostoner Akzent. Er sprach recht formell, korrekt. Ich weiß nicht. Ich bin eher der visuelle Typ. Tut mir leid.“
„Stimmen sagen auch viel aus. Wenn Sie ihn erneut hören würden, würden Sie die Stimme erkennen?“
„Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“
„Nun, tun Sie mir einen Gefallen. Denken Sie weiter darüber nach“, sagte Jeremy.
„Sicher. Heißt das, dass ich nicht mehr verdächtig bin?“, fragte Rolfe. Sein Ton war leicht ironisch, offenbar kannte er die Antwort.
„Noch nicht“, entgegnete Jeremy.
Rolfe brachte ihn zur Tür, und Jeremy trat hinaus. Er war fast beim Wagen, als Rolfe ihm etwas zurief und er sich umdrehte.
„Wenn ich ihn sehen könnte, dann vielleicht. Ich sage Ihnen, selbst mit den Kontaktlinsen war da etwas in seinen Augen. Etwas, das ich kannte . Und ich glaube wirklich – vielmehr befürchte ich es –, dass er mich kannte.“
12. KAPITEL
Es war Tag und noch immer relativ hell. Die Dunkelheit würde frühestens in einer Stunde einsetzen.
Außerdem, dachte Rowenna, bin ich nicht allein. Joe war bei ihr.
Und die Leiche war fort. Der
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