Ernten und Sterben (German Edition)
ihr solltet alles unternehmen, damit ihr ’ne weiße Weste bekommt.«
»Woher wissen Sie diese Details? Wir haben auch im Fernsehen die Pressekonferenz gesehen. Mein Telefon hat im Sekundentakt geklingelt, und niemand wusste etwas Genaues.« Albertine stand im Türrahmen und blickte äußerst skeptisch drein.
»Gnädige Frau!«, rief Egon-Erwin aus. »Kontakte sind in meinem Beruf das A und O. Glauben Sie mir einfach, dass mein Draht zur Polizei zuverlässig und sicher ist.«
»Ich glaube nicht einmal an die Wettervorhersage«, sagte Albertine mit dem ihr eigenen Dünkel.
»Wir müssen unsere Kontakte bündeln und gemeinsam den Fall aufklären. Sie tun etwas für Ihren Ruf, und ich bekomme die Story meines Lebens«, sagte Egon-Erwin. »Das ist eine typische Win-win-Situation.«
»Da lach ich jetzt aber. Ha! Ha! Ha! Der Einzige, der wint, sind Sie, und wir werden wohl oder übel über die Klinge für das Zeilengeld eines Judas springen.« Albertine war offenbar langsam, aber sicher mit ihrer Geduld am Ende.
»Gnädige Frau …«
»Hören Sie jetzt gefälligst damit auf, mich ›gnädige Frau‹ zu nennen. Oder sagen Sie das in Ihrem Lüneburger Puff auch zu jeder Nutte?«, sagte Albertine mit Verachtung in der Stimme.
»Ich geb’s auf.« Egon-Erwin ließ sich theatralisch auf das Sofa fallen.
Es herrschte eine beängstigende Stille im Raum, auch weil Albertine vernehmlich mit den Zähnen knirschte. Es klang so, als wollte sie Knochen zermalmen.
Nur Clementine ließ sich davon nicht beeindrucken. »Sie sollten einen Vertrag machen. Jeder sagt einmal, was für ihn wichtig ist. Dann schließen Sie die Vereinbarung mit einem Handschlag ab.«
»Wir sind hier nicht in Vechta beim Pferdemarkt«, sagte Albertine. »Ich wäre dankbar, wenn Sie sich da raushalten würden, meine Gute.«
»Sie scheinen zu vergessen, dass Sie auch meine Zukunft in Gefahr bringen«, erwiderte Clementine. »Ich bin zu alt, um mich an eine neue Stelle zu gewöhnen. Denken Sie daran, dass nur ich die Rezepte meiner Großmutter kenne.«
»Die meisten haben Sie doch an die einschlägigen Hochglanzmagazine verkauft und den Rest an Sören Severin. Gehen Sie doch zu Ihrem Busenfreund in die Küche, dann hat der ganze Japan-Quatsch ein Ende. Außerdem gibt Ihnen niemand so viel frei wie ich. Sie sind einfach nur unsagbar … also unsagbar undankbar …« Albertine brach ab. Sie war ein wenig bleich um die Nase geworden. Wahrscheinlich stellte sie sich gerade vor, wie sie ohne ihren guten Hausgeist über die Runden kommen sollte.
»Ich finde Clementines Vorschlag sehr gut«, sagte Hubertus. »Ich möchte mir mein Geschäft nicht kaputt machen. Im Internet verbreitet sich so eine Anschuldigung wie ein Lauffeuer. Ohne mein virtuelles Antiquariat kann ich meine Hausraten nicht mehr zahlen und müsste wieder zurück nach Mümmelmannsberg ziehen. Wohnsilos, wohin das Auge reicht, ein sozialer Brennpunkt, schlichtweg unerträglich und schlecht fürs Geschäft. Oder glaubt ihr im Ernst, Jan Philipp Fürchtegott Reemtsma kauft mir dann noch eine einzige bibliophile Trouvaille ab? Ich hasse die schlechte Luft dort, die miesen Döner-Buden, die Billig-Supermärkte und das Verkehrschaos. Was wäre ich ohne Clementines Petersilien-Kreationen? Ohne dich, meine Liebe, und unsere geruhsamen Abende zu zweit. Ohne unsere geistvollen Gespräche? Ohne deinen Charme, deine Anmut …«
»Halt die Luft an, du Sonntagspoet.« Albertine blickte sich nach Egon-Erwin um, der die beiden mit offenem Mund anstarrte. »Herr Reporter! Sie. Schlafen.«
»Entschuldigung, gnädige Frau, aber mir wurde eben ganz warm ums Herz bei so viel Zuneigung. Verstehe gar nicht, warum Sie keine Komplimente hören wollen. Für mich steht auch meine Zukunft auf dem Spiel. Ich möchte unbedingt nach Hamburg. Mitten ins pralle Leben. Mir geht diese Gemütlichkeit hier auf den Wecker. Oder glauben Sie, es macht Spaß, vom Schützenfest zu berichten oder vom Kaninchenzüchterverein oder den größten Kürbis zu fotografieren? Sie sitzen hier wie die Made im Speck, tun nur das Nötigste und verdienen sich dabei ’ne goldene Nase. Jammern auf hohem Niveau nennt man das bei uns in der Redaktion. Wir können gern mal tauschen. Ein Tag unter der Fuchtel eines Cholerikers wie meinem Chef wirkt Wunder, der hätte bei den Römern auch Sklaventreiber sein können. Ihren Verstand können Sie da glatt an der Garderobe abgeben. Wir sind in seinen Augen alle nur Versager, die es nicht schaffen, auch nur
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