Ernten und Sterben (German Edition)
genauso chaotisch aussehen wie bei mir.« Albertine trat zum Zaun.
Hubertus ließ lässig die Asche seiner morgendlichen Zigarre hinter sich. »Haben wir immer noch Hausverbot?«
»Ja!« Im Moment würde sie absolute Ruhe bevorzugen.
»Kein Brunch heute?« Mutig versuchte Hubertus sein Glück.
»Hast du keinen eigenen Kühlschrank?«, fragte Albertine.
»Aber der ist doch leer!«
»Dann geh einkaufen.«
»Wenn du meinst. Doch du solltest dir einmal die Landeszeitung ansehen und Egon-Erwins Artikel auf der dritten Seite lesen.«
»Ich wusste gar nicht, dass dieses Provinzblatt so viele Seiten hat«, sagte Albertine. »Irgendwann wird aus unserer Geschichte nur noch eine kleine Meldung, und dann ist Ruhe.«
»Du glaubst doch im Ernst nicht, dass der Kapuzenkiller jetzt einfach aufhören wird. Der muss zurückschlagen. Wenn seine DNA durch die Kriminaltechniker analysiert worden ist, wird es von Polizei nur so wimmeln.« Hubertus machte sich auf den Weg zurück in sein Haus.
»Wie sagt ihr Lateiner immer? Quod erat demonstrandum «, rief ihm Albertine hinterher.
»Griechen, das stammt von den alten Griechen und wird Archimedes zugeschrieben.« Hubertus gab zum Abschied noch ein paar Rauchzeichen mit seiner Zigarre, dann verschwand er im Haus. Clementine sah ihm nach und dachte: Der hat aber auch gar nichts kapiert.
elf
»Wie war deine Nacht, mein Held?« Lisa stand in einem sehr knappen T-Shirt am Bettende vor Gunnar. Sie wusste mittlerweile, dass er zu jeder Tages- und Nachtzeit weiblichen Reizen nicht abgeneigt war.
Gunnar richtete sich auf und zog unter der Decke die Boxershorts hoch. »Wenn du mich nicht ständig befummeln würdest, hätte ich eigentlich sehr gut schlafen können.« Sein nackter Oberkörper glänzte, er schien wieder vollkommen fit zu sein. »Warum bist du noch nicht in deiner Schule?«
»Wir haben Projektwoche, und ich verbringe diese Zeit gern mit meinen Studien zu Hause.«
»Ach du Scheiße!«, rutschte es Gunnar heraus.
Lisa zog einen beleidigten Schmollmund. Botox oder Natur, fragte sich Gunnar, der eigentlich immer sehr viel früher aufstand, sich seit Tagen aber so leer vorkam. Er hatte so viel Sex wie seit einem Jahr nicht mehr gehabt. Zwischendurch überprüfte er seine Homepage und die E-Mails. Man wünschte ihm viel Glück beim Kauf neuer Pferde, und vor allem seine weiblichen Kunden freuten sich auf die Wiedereröffnung seiner Pferdeschmiede, die jetzt auch zur Pferdezucht genutzt werden sollte.
Vielleicht ergab sich ja heute ein kurzer Moment, in dem Lisa ihn nicht überwachte, und er konnte fliehen.
»Ich bin zwar keine Pferdeflüsterin, aber ich kann in deinem Kopf lesen wie in einem Buch, Gunnar. Das bringt mein Job so mit sich. Es steht dir frei zu gehen, doch dann lass ich den Schwindel auffliegen.«
Gunnar ließ sich wieder in sein Kissen zurückfallen.
Lisa grinste zufrieden. »Ich habe dir ein reichhaltiges Eiweißfrühstück zubereitet. Viele Eier, gebratene Scampi und noch mehr potenzstärkende Leckereien. Das wird dir guttun. Dann lasse ich dich auch allein mit der Landeszeitung, und du kannst sehen, was die Hobby-Detektive gestern so alles angestellt haben.« Lisa kicherte pennälerhaft. »Ich bereite in der Zwischenzeit noch eine Unterrichtseinheit für meine Sechstklässler vor.«
In der Küche servierte sie Gunnar das Frühstück und verschwand wieder. Gunnar hätte viel für ein Graubrot mit Kirschmarmelade gegeben, vertilgte aber mit Todesverachtung seine Kraftnahrung. Nachdem er die Landeszeitung gelesen hatte, war ihm klar, dass er sein Exil noch lange nicht verlassen konnte.
»Wie geht es eigentlich Gunnar? Irgendwie haben wir den ganz aus den Augen verloren.« Clementine hatte einen grünen Tee für sich und einen Espresso macchiato für Albertine auf der Terrasse bereitgestellt.
»Den versorgt Lisa auf ihre ganz persönliche Art und Weise. Ihm wird weder langweilig werden, noch wird er vom Fleisch fallen. Den können wir getrost noch ein paar Tage bei ihr parken«, sagte Albertine. »Mir macht eher dieser Artikel Sorgen. Egon-Erwin geht ziemlich fahrlässig mit seinen Schlussfolgerungen um. Der Killer sei so gut wie überführt, weil es eine DNA -Probe gebe. Er sei gar nicht so intelligent, sondern eigentlich dumm. Es sei nur eine Frage von Stunden, bis er heute überführt und festgenommen würde. Die Maskerade sei albern und er ein Schlappschwanz, der nicht einmal eine Küchenhilfe ausschalten könne. Es ist tatsächlich schlecht um
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