Ernten und Sterben (German Edition)
und analysieren lassen.« Er zuckte mit den Achseln. »Der Killer ist in keiner deutschen Datenbank zu finden. Im Moment findet noch der europäische Abgleich statt, aber da wird man keinen Treffer landen. Das lässt jetzt mehrere Vermutungen zu. Erstens: Der Killer ist nicht aus Klein-Büchsen. Dafür spricht auch, dass es keinerlei Querbeziehungen zu anderen Dorfbewohnern gibt. Denn deren DNA -Daten sind ja alle vorhanden. Zweitens: Wenn der Killer doch aus Klein-Büchsen ist, dann ist er alleinstehend ohne familiären Anhang. Drittens: Der Killer ist ein Auftragsmörder, den irgendjemand engagiert hat, der noch eine alte Rechnung mit einem oder allen Opfern zu begleichen hat.«
Albertine schüttelte den Kopf. »Die dritte Möglichkeit schließe ich aus. Das wäre ja wie ein Volltreffer im Lotto, wenn wir das herausbekommen würden. Meine weibliche Intuition sagt mir, dass es die Möglichkeit Nummer zwei sein könnte. Wir sollten jetzt einfach mal die Landeszeitung als Druckmittel vergessen. Es dürfte dem Killer doch klar sein, dass die Artikel auch erschienen sind, um ihn zu provozieren. Ich denke eher, dass Egon-Erwin in die Untiefen des Archivs steigen sollte, um nach möglichen Verdächtigen zu suchen. Aber vorher lasst uns das Essen genießen, meine Nase sagt mir, dass Clementine gleich fertig ist.«
»Gleich geht’s los«, rief Clementine aus der Küche.
»Na, Müller, schmeckt das Fast Food? Ich muss ja auf meine Figur achten, wenn ich übermorgen auf den Malediven in den Indischen Ozean springe«, sagte Müller Eins.
Müller Zwo fiel das Stück Quattro Stagioni aus der Hand und landete kopfüber auf dem Bericht des Profilers über den Killer von Klein-Büchsen. »Sie gehen in Urlaub? Was sagt denn Blaumilch dazu?«
»Den Antrag hat er schon vor Wochen abgezeichnet. Ich seh überhaupt nicht ein, mich weiter mit diesen grenzdebilen Landeiern und dieser überkandidelten Ärztin herumzuschlagen. Der Fall gehört Ihnen, den schenke ich Ihnen. Machen Sie das Beste draus.« Müller Eins warf demonstrativ einen Blick auf ihre Colt 33 der Nobelmarke Breitling. »In dieser Sekunde kann ich jetzt auch noch meine Überstunden abfeiern. Dhanee, wie der Maledive so schön sagt.« Aufreizend langsam packte sie alle möglichen Kosmetika in ihre noble Handtasche, die sie sich wie im Urlaub über die Schulter hängte. Sie drehte sich nicht mehr um, als sie wortlos durch die Tür verschwand.
Müller Zwo wartete ab, bis seine Chefin das Büro verlassen hatte. Dann vollführte er mit dem rechten Arm die »Kuntz-Säge«. Dem Nationalspieler hat der Fußball den schönsten Torjubel zu verdanken. Schließlich setzte sich Müller Zwo an den Computer und berief eine Sondersitzung ein.
Als die vier Beamten der Sonderkommission »Radieschen« im Büro eintrafen, war Müller Zwo maßlos enttäuscht. Der einzige Lichtblick zwischen den drei alten Haudegen war die junge Praktikantin.
»Sind das alle, die übrig geblieben sind?«, fragte er und erntete vierfaches Nicken. »Was ist passiert?«
»Staatsanwältin Maier fehlt die Effizienz bei den Ermittlungen. Außerdem hat der Druck in der Öffentlichkeit nachgelassen. Die Presse widmet sich anderen Themen: den steigenden Mieten, der Teuerung der Lebensmittel und der Krise auf den Energiemärkten«, erklärte die Praktikantin. »Wir sollen mehr undercover ermitteln, behauptet Staatsanwältin Maier, und das sei bei so einem kleinen Dorf mit vier Leuten ohne Probleme möglich. Ich bin übrigens auch nur einen Monat in diesem Dezernat und komme dann zur Sitte.«
»Na gut. Dann gebe ich allen frei. Morgen ist doch ein Brückentag fällig. Genießt den Frühling«, sagte Müller Zwo. »Ich geh angeln, da fang ich auf jeden Fall irgendetwas.«
zwölf
Am nächsten Tag klopfte Egon-Erwin an die große historische Flügeltür der Redaktion und hatte dabei das Gefühl, beobachtet zu werden. Er drehte sich um, konnte aber niemanden sehen. Alles wirkte wie ausgestorben. Dann entdeckte er in der Ecke über der Tür eine neue Überwachungskamera und neben der Tür ein Zahlenfeld, in das man seine Geheimnummer eintippen konnte. Nur hatte Egon-Erwin keine Geheimnummer. Also klopfte er mit der Faust gegen die Tür. Nach einer kleinen Ewigkeit öffnete Inge, die Assistentin der Geschäftsführung.
»Hast uns ja lange warten lassen«, fuhr sie ihn sofort an. »Den Aufmacher über die Gentrifizierung hat Jürgen schon geschrieben. Schließlich ist er …«
»… der Einzige, der von uns
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