Ernten und Sterben (German Edition)
unseren Journalismus bestellt. Egon-Erwin will sich mit diesem Beitrag wohl schon mal direkt in der Hamburger Zentralredaktion bewerben. Aber der Schuss wird nach hinten losgehen. Entweder murkst dieser Anonymous Egon-Erwin ab, oder er steht hier im Garten und wird sich an dir rächen, Clementine.« Albertine seufzte. »Ich hatte auf ein paar freie Tage gehofft. Sind eigentlich Patienten da?«
»Nein, leider nicht. Ich wollte es eigentlich erst nachher erzählen, aber man hat unser schönes Praxisschild beschmiert. Da steht jetzt mit schwarzer Farbe drauf: ›Die Hure muss sterben‹.« Clementine nippte ruhig an ihrer Teeschale.
»Was?« Albertine sprang sofort auf, holte sich einen Eimer, eine Bürste und ein starkes Putzmittel. Doch die Farbe ging nicht ab, egal, wie fest und oft sie versuchte, die Buchstaben zu entfernen.
»Jetzt bin ich aber wirklich sauer!«, sagte sie und rief den Passanten zu, die sie beobachteten: »Haut ab, ihr Penner!«
»Ich habe mir schon gedacht, dass Frau Doktor den Fall im Alleingang lösen will.« Müller Eins trug heute ein helles Wickelkleid von LaDress – eindeutig ein Zeichen, dass sie guter Laune war. Ihren Schreibtisch zierten etliche Flakons nobler Duftfabrikanten und teure Cremes. In der Ablage hatte sie keine Akten, sondern Modemagazine gestapelt. Auch blieb der Monitor meistens schwarz.
Ihr direkt gegenüber saß Müller Zwo, dessen Arbeitsplatz einer Müllhalde glich. Die Oberfläche hatte die Beschaffenheit eines Sekundenklebers, weil die Pappbecher nur selten den Weg in den Mülleimer fanden. In der Mitte der Stirnseite thronte der Wimpel des SV Wilhelmshaven. Dem Regionalverein aus der Jadestadt war er seit seiner Geburt treu geblieben und versäumte kein Heimspiel.
»Wenn man der Landeszeitung und diesem Egon-Erwin Wutke über den Weg trauen kann, dann sind wir bald arbeitslos.« Müller Zwo warf das Druckerzeugnis achtlos in die Ecke zu den anderen Jahrgängen. Dann rief er die KTU an, um zu erfahren, ob dort eine Blutprobe aus Klein-Büchsen gelandet sei.
»Ihr habt noch nichts bekommen? Warum nicht? Sind die von der Poststelle wieder besoffen. Da geh jetzt los den Briefumschlag suchen. Wir brauchen so schnell wie möglich einen DNA -Abgleich. Schon mal was von ›Gefahr im Verzug‹ gehört? Avanti, dilletanti! «, sagte Müller Zwo und wunderte sich, dass seine Chefin so ruhig blieb und regungslos wie eine Sphinx hinter ihrem Schreibtisch thronte.
Wenig später ging die Tür auf, und die Praktikantin von der Uni steckte den Kopf in das schlecht gelüftete Büro. »Puh! Hier riecht es ja merkwürdig. Irgendwie nach Parfümerie und Pommesbude …«
»Klappe halten!«, schallte es ihr entgegen.
Statt einer Antwort wedelte die junge Kollegin mit dem Umschlag.
»Wo kommt der Umschlag her?«, fragte Müller Zwo.
»Aus Klein-Büchsen«, antwortete die junge Kollegin. »Wurde von einem Boten abgegeben.«
»Na, dann sofort in die KTU damit«, sagte Müller Zwo, während er sein Secondhand-Jackett auszog und stolz suppentellergroße Schwitzflecken zeigte. Müller Eins blickte von ihrem Magazin nicht hoch, sondern hielt sich nur die Nase zu.
Nach einer Stunde entschloss sie sich zu lüften, eine weitere Stunde später suchte sie verzweifelt nach ihrem Lagerfeld-Fächer. In der dritten Stunde hätte sie am liebsten geschrien: »Ich bin ein Star, holt mich hier raus!« Doch dann öffnete sich die Tür, und ein Arm hielt ein Blatt Papier in den Raum.
»Aufwachen, Müller!«, rief Müller Eins und lehnte sich erwartungsvoll zurück, als ihr das DNA -Ergebnis gereicht wurde.
»Das hab ich mir gedacht. Keine Übereinstimmung mit niemandem. Jetzt sind wir so schlau wie vorher. Lassen Sie das Ergebnis vom Profiler begutachten. Er soll mir seinen Bericht vorbeibringen, aber nur, wenn es sich um einen Marsmenschen handelt.« Müller Eins schnippte mit dem Finger.
Die Praktikantin kam mit zugehaltener Nase herein, nahm rasch das Papier wieder an sich und verließ das Büro so schnell wie möglich.
Gen Mittag klingelte es an der Haustür, und Clementine öffnete.
»Ein Patient?«, rief Albertine aus dem Wohnzimmer.
»Ja, allerdings. Ich leide unter großer Missachtung und habe meine Medikamente selbst mitgebracht.« Hubertus stand auf der Schwelle mit einem riesigen Korb am Arm.
»Cremige Trüffelbutter, Trüffel-Tagliatelle, Trüffel-Honig, Öl vom klassischen weißen Trüffel, gepuderte Marc-de-Champagne-Trüffelpralinen, mild geräuchertes Schweinefilet mit
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