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Ernten und Sterben (German Edition)

Ernten und Sterben (German Edition)

Titel: Ernten und Sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter M Hetzel
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studiert hat. Ich weiß, hab ich schon tausendmal gehört, und wer das noch einmal sagt, der fliegt«, unterbrach Egon-Erwin, der zwischen den Schreibtischen stand und sich umschaute, die überaus attraktive Blondine. »Sieht ja alles wieder so aufgeräumt aus. Wo ist denn mein Arbeitsplatz?«
    »Da, wo der Brüllaffe gesessen hat.« Inge deutete mit dem Kinn zum Chef-Büro.
    »Wo steckt er denn?«
    »In der geschlossenen Abteilung in Ochsenzoll. Er ist einfach nicht mehr ruhig geworden und hat in der U-Haft randaliert wie ein Abschiebehäftling.« Inge zuckte gelangweilt mit den Schultern. »Du kannst dich wie immer einloggen. Dein Zutrittscode lautet null-null-sieben, aber den kannst du jederzeit ändern. Die Anleitung steht in einer Mail aus der IT .«
    »Das hört sich doch prima an. Machst du mir bitte eine Thermoskanne mit starkem Kaffee? Und dann möchte ich nicht mehr gestört werden.« Egon-Erwin öffnete die Tür zum Chef-Büro. »Vielen Dank, Inge.«
    Kaum saß er hinter dem Schreibtisch, stand der Herausgeber der Landeszeitung, John Wichhorst, im Rahmen. Der in Ehren ergraute Gentleman war eine imposante Erscheinung. Am Revers seines dunkelblauen Blazers mit goldenen Knöpfen steckte das Fähnchen des Blankeneser Segel-Clubs von 1898.
    »Wie fühlt sich das an, Herr Wutke, Leiter einer so fähigen Redaktion zu sein?«, fragte Wichhorst, den es am Abend immer wieder an die heimischen Gestade seines noblen Vororts zog.
    »Sehr gut, Sir John. Sie haben die richtige Entscheidung getroffen.« Egon-Erwin benutzte den ehrerbietigen Spitznamen, der jedem in der Redaktion erlaubt war, solange man auch das formelle Sie benutzte.
    »Sind Sie in Klein-Büchsen mit der Recherche weitergekommen?«, fragte Sir John.
    »Ich muss leider zugeben, dass sich nicht viel getan hat. Es gibt keine Neuigkeiten, über die wir berichten könnten.«
    »Ihr letzter Beitrag war mir auch eine Spur zu boulevardesk, wenn Sie mir diese Kritik erlauben, Wutke. Fast hatte ich den Eindruck, als wollten Sie sich bei der BILD -Zeitung bewerben. Ich würde Sie ungern an den Kollegen Döpfner verlieren. Wir sollten unser Augenmerk wieder mehr auf die gesamte Region richten und uns Themen wie der Mietpreisentwicklung widmen. Ach ja, und grüßen Sie bitte meine alte Freundin Albertine von Krakow von mir. Sagen Sie ihr bitte, dass ich sie als Steuerfrau beim letzten Senatspreis schmerzhaft vermisst habe. Gutes Gelingen!« Sir John schloss behutsam die Tür.
    So hatte sich Egon-Erwin Karrieremachen vorgestellt. Vielleicht würde er einmal mit Sir John in der »Heideblume« den Lunch einnehmen und das legendäre Schwarzfederhuhn probieren.
    Ein Klopfen riss ihn aus seinem Tagtraum, und Inge brachte den Kaffee, Mineralwasser und Gebäck.
    Fehlt eigentlich nur noch eine fette Zigarre, dachte Egon-Erwin, während er die Anmelderoutine an seinem PC absolvierte. Er hatte Glück, dass der Verlag sein Archiv kontinuierlich digitalisierte. Bis in die siebziger Jahre konnte man bequem vom Bürostuhl aus recherchieren. Danach hieß es in die Katakomben steigen und Staub fressen. Außerdem musste man dann erst am Zerberus dieser papiernen Unterwelt vorbei. Paul schien im Keller zu leben. Er hatte einen leichten Buckelansatz und einen Gehstock aus Dogwood, mit dem man jeden Einbrecher mühelos k. o. schlagen konnte.
    Doch noch konnte Egon-Erwin das neue Ambiente genießen, das sich wohltuend vom Lärmpegel des Großraums unterschied, den er nur noch zur morgendlichen Zehn-Uhr-Konferenz betreten musste.
    Als Erstes tippte er den Suchbegriff »Single« und »Klein-Büchsen« in die Tastatur. Als Ergebnis spuckte das Archiv alle Ü-30-Partys der letzten vier Jahrzehnte aus. Es waren genau vier an der Zahl, die alle mit einer gewaltigen Prügelei geendet hatten, die der Regionalreporter immer verpasst hatte. Zum Thema »Hochzeiten« und »Klein-Büchsen« ergaben sich keine verwertbaren Informationen. Egon-Erwin versuchte es mit »alleinstehend« und »zugereist«, aber irgendwie fielen auch diese Ergebnisse nicht befriedigend aus. Bei dem Suchbegriff »Anonymous« und »Klein-Büchsen« schien ihn der Computer auszulachen. Am liebsten hätte er einen Tobsuchtsanfall bekommen, aber er konnte sich gerade noch einmal am Riemen reißen. Er testete die Suchfunktion mit dem Allerweltsbegriff »Landwirtschaft« und erhielt zweiundzwanzigtausendfünfhunderteinunddreißig Treffer. Wenigstens funktionierte das System.
    Egon-Erwin machte eine Pause. Am Fenster stand ein

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