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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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brauchten uns nicht hinter diesem Busch versteckt auf dem Bahn damm antreffen.
    Kurze Zeit später fuhr der Wagen, der auf dem Park platz angehalten hatte, Richtung Stadtzentrum weiter. Wir waren wieder allein. Ich schaute auf meine Uhr, bis zum Meeting um 11 Uhr war noch genügend Zeit.
    »So, Herr Kriminalkollege«, frotzelte ich ihn.
    »Schießen Sie los. Wer ist Klaus?«
    »Klaus kenne ich schon seit meiner Sandkastenzeit. Wir haben zusammen in Speyer auf dem Hans-Purrmann- Gymnasium das Abi gemacht. Während ich ein Studium begonnen habe, hat er eine Ausbildung zum Steuerfachan gestellten angefangen. In Mannheim in der Steuerkanzlei Meerberger.«
    »Und was hat das mit Siegfried zu tun?«
    »Mehr als Sie denken. Meerberger senior ist der Steuer berater von Siegfried und seinen Unternehmen.«
    »Seinen Unternehmen? Hat Siegfried mehrere Fir men?«
    Becker lachte.
    »Oja, ein ganzes Nest voll. Die Firmen sind dermaßen komplex ineinander verwoben, dass kein Mensch mehr durchblickt. Selbst Meerberger tut sich da schwer, hat mir Klaus verraten. Es wimmelt von GmbHs, GmbH & Co. KGs, Einzelfirmen, GbRs und ausländischen Stif tungen. Und die meisten sind mit Gewinnabführungs verträgen wiederum von anderen Firmen abhängig. So werden die Gewinne ständig von einer Firma zur nächs ten verschoben, wobei jedes Mal ein Teil der Gewinne versickert.«
    »Und wie funktioniert das im Einzelnen?«
    »Oh, da gibt es viele Möglichkeiten, die Klaviatur der Steuerbescheißerei ist groß. Mit der Umsatzsteuer kann man beispielsweise vieles machen. Ausländische Gesell schaften, die natürlich auch irgendwie zum Imperium ge hören, stellen Rechnungen an Siegfried für Leistungen aus, die sie nicht erbracht haben. Siegfried zahlt auf die Beträ ge Mehrwertsteuer, die er sich komplett vom Finanzamt erstatten lässt. Im Prinzip ist das wie eine wundersame Geldvermehrung.«
    »Und das kapiert der Fiskus nicht? Die wissen doch bestimmt, wie man solche Schweinereien macht.«
    »Selbstverständlich wissen die Fahnder, wie das funktio niert. Doch was wollen sie machen? Erstens sind es viel zu wenige, statistisch gesehen wird jedes Mittelstandsun ternehmen im Schnitt nur alle 350 Jahre überprüft, zum Zweiten sind die Fahnder in der Nachweispflicht. Die meisten Länder haben nämlich kein Interesse daran, dem deutschen Fiskus zu helfen. Und wenn ein Fahnder doch mal hartnäckig dranbleibt, dann läuft es meistens auf ei nen Vergleich hinaus.«
    »Einen Vergleich? Da müsste es doch nur so Strafen hageln!«
    Mit offenem Mund sah ich ihn an. Becker war gerade dabei, mein Weltbild der Gerechtigkeit zu zerstören.
    »Bestraft werden nur die Dummen. Das sind die, die meinen, ohne Berater schlauer als das Finanzamt zu sein. Aber Siegfried ist nicht dumm. Er lässt den Großteil seines gigantischen Gewinns versickern und speist seine Genos senschaftsmitglieder mit einem Taschengeld ab. Gerade so, dass sie überleben können.«
    Er merkte, dass er vom Thema abkam.
    »Ach ja, Sie wollen ja wissen, wie das mit einem Vergleich so läuft. Nehmen wir die Gewerbesteuer. Kontrollgrundla ge für die Umsätze sind bei Siegfried die Anlieferungsschei ne der Gemüsemengen. Die werden alle paar Jahre vom Finanzamt gesichtet. Ob diese vollständig und wahrheits gemäß ausgefüllt sind, lässt sich natürlich nicht überprüfen. Für solche Zwecke benutzt der Fiskus Branchenkennzah len. Wenn die geprüften Zahlen nicht mehr als ein paar Prozent vom Branchendurchschnitt abweichen, werden sie anerkannt. Wenn nicht, wird geschätzt. Wenn Siegfried Zahlen präsentieren würde, die im Branchendurchschnitt liegen, dürfte er sich über eine gewaltige Steuernachzahlung ärgern. Stattdessen präsentiert er frisierte Zahlen, die weit darunter liegen. Der Fiskus schätzt nun Siegfrieds Einnah men. Sein Steuerberater setzt dagegen. Da geht es dann zu wie auf einem Basar. Da ist dann nichts mehr mit Einkom mensteuertabelle und centgenauer Berechnung wie bei uns Normalsterblichen. Da wird um Zehn-und Hunderttau sende Euro gefeilscht. Wenn der Prüfer dann denkt, dass er sein Gehalt gegenüber seinem Vorgesetzten gerechtfertigt hat, hört er auf und alle sind zufrieden.«
    Mir wurde schwindlig. Klar hatte ich von solchen Din gen schon gehört, sie jedoch immer im Reich der Legenden vermutet. Becker setzte noch einen drauf.
    »Da ist es nur konsequent, dass Siegfried einen Steuer berater aus Mannheim hat.«
    Ich sah ihn fragend an.
    »Was meinen Sie jetzt damit? Klar, an

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