Ernteopfer
unter Beweis. Beim Übersteigen der Sitzbank blieb er mit einem Fuß im Metallständer hängen und stolperte. Während er Gleichgewicht suchend das Bier festhielt, klatschte sein Teller mit voller Wucht auf den Tisch und rutschte auf diesem wie ein Whiskyglas auf einer Bartheke entlang. Nach gut einem Meter konnte ich die Odyssee des Tellers stoppen. Nichts war runtergefallen.
»Ich hoffe, Sie haben inzwischen mein kleines Fahr manöver pulsmäßig überstanden?«, fragte ich ihn, um ein Gespräch in Gang zu bringen.
Er schluckte hastig einen Bissen Kartoffelsalat hinunter und fuchtelte dabei mit der Gabel herum.
»Machen Sie sich darüber mal keine Sorgen, das ist schon längst vergessen.«
Das Gespräch kam nur schwer in Gang, was letztend lich meinem Appetit zuzuschreiben war. Das Bier war eine Wohltat.
»Was machen die Ermittlungen in Sachen Schablinski?«, fragte mich Becker kauend.
»Im Moment kommen wir nicht so recht weiter. Ges tern war die Obduktion, die hat aber keine neuen Er kenntnisse gebracht.«
Die Sache mit Speyer wollte ich ihm im Moment noch nicht verraten.
»Herr Palzki, Sie haben sich meine Geschichte mit Sieg fried zu Herzen genommen? Da werden Sie ein paar große Überraschungen erleben.«
»Wieso soll ich mir Ihre Geschichte zu Herzen genom men haben? Klar, zu gegebener Zeit werden wir das alles überprüfen. Im Moment ermitteln wir wegen Mordes und nicht wegen Steuerhinterziehung.«
»Oh, dabei geht es nicht nur um Steuerhinterziehung. Aber das werden Sie morgen früh bei der Durchsuchung alles selbst sehen.«
Fast wäre ich von der Bank gefallen. Nur wenige Per sonen wussten von der morgigen Durchsuchung bei Sieg fried, alles war streng geheim. Und da kam dieser Student daher und tat so, als würden es alle Spatzen vom Dach pfeifen.
»Herr Becker, Sie sagen mir jetzt sofort, wo Sie diese vertrauliche Information herhaben, oder ich nehme Sie wegen öffentlicher Gefährdung fest.«
Er lachte.
»Herr Palzki, wenn hier jemand öffentlich jemanden gefährdet, dann sind Sie das mit Ihrem Auto.«
Er machte eine kurze Pause und trank einen Schluck Bier.
»Mein Freund, ich habe Ihnen doch schon von ihm er zählt, es ist übrigens der, den ich nachher treffe, hat es mir erzählt. Das Finanzamt war gestern schon bei seinem Chef, um Vorbereitungen für die Durchsuchung am Montag zu treffen. Jedenfalls haben sie auf Anhieb so viel belasten des Material gefunden, dass sie ihn auf der Stelle verhaftet haben. Mein Freund war gestern zufällig im Büro und hat das alles live erlebt. Er wurde zwar zur Verschwiegenheit verdonnert, aber Sie wissen ja, wie das ist. Bei den besten Freunden macht man da gerne mal eine Ausnahme.«
Verdammt, warum haben mir das meine Kollegen nicht mitgeteilt? War ich da etwa noch bei der Leichenöffnung oder hatte ich vielleicht daheim das Telefon nicht gehört?
»Da Sie ja anscheinend über gute Quellen verfügen, können Sie mir sicher noch den einen oder anderen Tipp geben, oder? Was macht eigentlich Ihr Buchprojekt?«
»Mein Krimi wächst. Ich habe bereits Stoff für rund 100 Seiten zusammen. Das Dumme ist nur, ich habe kei ne Ahnung, wie viele Seiten es insgesamt werden. Wenn morgen Siegfried als Mörder verhaftet wird, muss ich mir einen besseren Schluss ausdenken.«
»Aha, und wer wird dann Ihr Mörder sein?«
»Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Vielleicht ist es ein Student, der an allen möglichen Stellen in der Geschichte auftaucht, vielleicht sind Sie der Mörder.«
»Ich?«
»Ich muss zugeben, da müsste ich noch ein Motiv bas teln. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass es dieser Knoll aus Speyer ist.«
Das war bereits der zweite Schlag innerhalb kürzester Zeit. Wie kam er jetzt auf Knoll? Ich musste es auf einen Versuch ankommen lassen und bluffen.
»Welcher Knoll? Ich kenne keinen Knoll.«
»Ach, Sie sind mit Ihrer Recherche noch gar nicht so weit, Herr Hauptkommissar. Sie hatten doch inzwischen zwei Tage Zeit, um die ganzen Wagen zu überprüfen, die da täglich am Polentreff auftauchen.«
Ich wusste, dass er recht hatte. Ich hatte am Samstag alle Kennzeichen fotografiert. Doch zur Überprüfung hatte ich die Fotos bis jetzt noch nicht weitergegeben. Das habe ich
gestern in der Sitzung tatsächlich verpennt.
»Also schießen Sie los, wer ist Knoll?«
»Neben einigen Pkws sind immer zwei Transporter dabei. Einer gehört Siegfried, der andere zu einem Gemü sebetrieb Weiß oder so ähnlich in Speyer.«
»Das kann ich bestätigen, wir
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