Ernteopfer
haben gestern früh die Aufschrift auf dem Transporter lesen können.«
»Genau«, fiel er mir ins Wort.
»Und der Vorarbeiter dort heißt Knoll. Den Vornamen kenne ich nicht.«
»Und deswegen ist er Ihr Mörder?«
»Ich weiß natürlich nicht, ob er es wirklich ist. Er fährt aber fast jeden Tag zu Siegfried. So wie ich erfahren habe, wird er immer sofort zum Chef durchgelassen.«
»Sie scheinen ja eine ganze Reihe von Freunden zu ha ben«, bemerkte ich sarkastisch.
»Tja, man tut halt, was man kann. Beziehungen und Kontakte sind wesentlich für Erfolge in unserer komple xen Welt.«
Wenigstens schien er keine Ahnung von den Vorgängen zu haben, die sich heute Morgen abgespielt hatten. Diesen Wissensvorsprung schien ich noch für mich zu haben.
»Herr Becker, da Sie ja alles wissen: Warum findet die ser tägliche Polentreff überhaupt statt? Haben Sie da auch so eine tolle Theorie?«
Er wischte sich mit dem Handrücken Bierschaum vom Kinn und schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Ne, wirklich nicht. Ich schätze, dass da irgendwelche Absprachen getroffen werden. Aber fragen Sie mich nicht, warum man das nicht telefonisch macht. Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm glauben sollte. Auf der einen Seite war er zwar recht offen und ehrlich, auf der anderen Seite hatte er nach eigenen Angaben schon einen Plot für 100 Seiten seines Krimis. Was da wohl alles drinstehen mochte?
»Na ja, macht nichts. Ach übrigens, wenn Sie wollen, schaue ich mir gerne mal Ihr Manuskript an, auch wenn es noch nicht fertig ist. Vielleicht kann ich mich damit re vanchieren und Ihnen noch ein paar Tipps aus der prak tischen Polizeiarbeit geben.«
»Super, das wäre echt ein guter Zug von Ihnen. Aber machen Sie sich da bloß keinen Stress. Ich will das Buch zuerst fertig haben. Wer weiß, wie oft ich noch irgendwel che Passagen umschreiben muss. Wenn es fertig ist, gebe ich es Ihnen aber gerne zum Drüberlesen.«
Mist, das ging daneben. Halt, da war noch was. Etwas, das ich gestern vergessen hatte zu fragen.
»Da fällt mir gerade noch was ein. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass wir der Vollständigkeit halber jeden überprüfen müssen. Also auch Sie und Ihre Ausgrabungs gruppe.«
»Na ist doch klar, logisch. Was ist denn dabei rausge kommen?«
»Wir haben da nämlich ein Problem. Genau zur Tat zeit waren Sie und Ihre Gruppe wie vom Erdboden ver schwunden.«
»Vom Erdboden verschwunden? Wie soll ich das ver stehen? Ich glaube, Sie haben da schlecht recherchiert. Wir trafen uns wie jeden Morgen am Mannheimer Hauptbahn hof und fuhren dann gemeinsam mit unseren Privatautos nach Schifferstadt.«
»Ja genau, das haben unsere Ermittlungen ergeben.«
»Und wo liegt Ihr Problem?«
»Die Fahrzeit, mein Lieber. Sie waren über eine Stunde unterwegs. Andere fahren in der Zeit mit dem Rad.«
Becker lachte laut heraus. Von den Nachbartischen starrten uns mehrere Leute an.
»Dann werde ich mal dieses letzte Geheimnis der Menschheitsgeschichte lüften, Herr Palzki. Des Rätsels Lösung ist ganz einfach. Wir machen jeden Morgen auf der Hinfahrt eine Frühstückspause in der Bäckerei Has sencamp in Neuhofen. Die haben dort nämlich ein Café integriert. Ist das Alibi genug?«
»Ja natürlich. Sie wissen ja, dass wir das überprüfen müssen.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an, wir sind dort Stamm gäste. Auch am Tattag waren wir alle dort.«
So einfach lösten sich also diese Geheimnisse auf. Jetzt konnten wir die Gruppe endgültig von unserer Verdäch tigenliste streichen.
»Da fällt mir ein«, erwähnte Becker beiläufig.
»Alle waren wir an diesem Morgen nicht beim Has sencamp.«
»Wie bitte? Eben haben Sie mir doch was anderes er zählt!«
»Ja, stimmt. Ich bezog das auf uns Studenten. Ich meine aber Professor Müller.«
»Was? Professor Müller war nicht mit Ihnen beim Früh stück?«
»Nein, der kam direkt und alleine nach Schifferstadt gefahren.«
»Hat er gesagt, warum er nicht mit Ihnen gefahren ist?«
»Nein, private Sachen erzählt der uns nie.«
»Könnte er vielleicht verschlafen haben?«
»Eher unwahrscheinlich, dann würde er ja dauernd verschlafen.«
»Was hat das jetzt schon wieder zu bedeuten?«
»Weil er zwei- bis dreimal in der Woche nicht mit uns fährt, sondern immer getrennt kommt.«
Ich versuchte, meine innere Erregung zu verbergen, was mir jedoch nur mangelhaft gelang.
»Erinnern Sie sich mal an letzten Freitag. Wann ist er zu Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher