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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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weiß, der Kollege konnte nichts dafür. Ich war aber trotzdem sauer.
    »Von mir ist der Koffer nicht. Ich habe meinen Spreng stoff in der alten Reisetasche da vorne versteckt.«
    Er schaute mich einen Moment entsetzt an, doch dann hatte er meinen Witz verstanden.
    »Okay, vielen Dank, Herr Kollege. Wir müssen weiter. Schlafen Sie gut.«
    Kurz darauf war der Spuk vorbei. Oder vielmehr beim Nachbarn angekommen. Gehässig wartete ich noch, ob Herr oder Frau Ackermann erscheinen würde. Als ich die Frau des Hauses erblickte, bemitleidete ich im Stillen meinen Kollegen von der Streife. So schnell würde der nicht davonkommen.
    Um kurz nach 2 Uhr wieder einzuschlafen, ist nicht ganz einfach. Unruhig warf ich mich von der einen auf die andere Seite. Irgendwie gelang es mir schließlich aber doch.

19
    Kurz vor 7 Uhr schrillte die Türglocke erneut.
    Beim dritten Mal saß ich auf der Bettkante. Beim fünf ten Mal immer noch. Jetzt ging mein Gegner zum Dauer- läuten über. Ich öffnete die Tür.
    »Morgen, Reiner«, begrüßte mich Gerhard und ein wei terer Kollege, »bist du schon auf?«
    Nachdem ich meinen Kollegen gedanklich erwürgt hat te, grunzte ich ihn sauer an.
    »War das heute Nacht doch nur ein dummer Scherz, oder? Habt ihr eure Kofferbombe noch gefunden?«
    Gerhard schaute mich mit festem Blick an. »Ich glaube, du bist noch nicht richtig wach, Kollege. Geh mal schnell duschen, wir brauchen dich. Mit einer Bombe hat es al lerdings nichts zu tun. Marek Dzierwa weilt nicht mehr unter den Lebenden!«
    Ich brauchte einen Moment, um der Nachricht geistig zu folgen.
    »Tot? So eine Scheiße. Wie ist das passiert? Fremdein wirkung?«
    »Ja klar, natürlich durch Fremdeinwirkung. Er wird sich wohl nicht selbst ins Nirwana geschossen haben. Komm, beeil dich, wir warten.«
    Ohne weitere Fragen zu stellen, ging ich zurück ins Haus und stieg unter die Dusche. Meine beiden mensch lichen Wecker hatte ich vorher selbstverständlich ins Wohnzimmer gebeten. In Rekordzeit war ich fertig. Für ein Frühstück blieb keine Zeit. Ich hätte sowieso nichts da gehabt.
    »Komm Reiner, du kannst bei mir mitfahren, lass dei nen Wagen stehen.«
    Mit einem spitzbübischen Lächeln fügte er hinzu:
    »Dann kannst du dich wenigstens heute nicht verfah ren.«
    Während der Kollege in den Fond stieg, ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen. Gerhard legte einen Kava lierstart hin.
    »Erzähl mal«, forderte ich ihn auf, »was genau ist pas siert?«
    »Viel zu erzählen gibt es nicht. Man hat Marek im Neu hofener Wildpark gefunden. Im Wildschweingehege. Wir waren selbst auch noch nicht dort. Lassen wir uns also überraschen.«
    Im Gegensatz zu Gerhard wusste ich, dass der Wild park zwar an die Ortsbebauung von Neuhofen an schloss, aber außerhalb der Gemarkung Neuhofens lag. Der über 40 Jahre alte Wildpark gehörte zum Ludwigs hafener Ortsteil Rheingönheim. Schon als Kind war ich dort regelmäßig mit meinen Eltern zu Besuch. Inzwi schen wurde zwar ein bescheidenes Eintrittsgeld fällig, ein Besuch dieses Parks lohnte meiner Meinung nach aber immer noch. Vorausgesetzt, es lagen dort keine Lei chen herum.
    Der Zufahrtsweg zum Wildpark, der von der Landstra ße zwischen Neuhofen und Rheingönheim abbog, war komplett abgesperrt. Gegenüber dem Zufahrtsweg park ten wir auf einem großen Parkplatz, der im Moment von Einsatzwagen aller Art fast vollständig belegt war.
    Ein Beamter, es war der gleiche, der bei Siegfried für die Absperrung zuständig war, ließ uns ohne Nachfrage das Gelände betreten.
    Nach etwa 100 Metern befand sich im Eingangsbereich des 30 Hektar großen Parks eine metallene Drehtür. Um die Spurensuche zu erleichtern, hatte man das große Zufahrtstor, das ich bisher immer nur im geschlossenen Zustand kannte, geöffnet. Gerhard, der nun etwas unsicher wirkte, zögerte.
    »Aha, der Gerhard war wohl noch nie hier. Na, dann werde ich mal den Führer spielen.«
    Ohne eine Anmerkung zu der Zweideutigkeit des Wor tes Führer zu machen, nahm ich den mittleren Weg. Am Ziegengehege hatte ich vor Jahrzehnten die eine oder an dere Stunde verbracht und meine gelangweilten Eltern zur Verzweiflung getrieben. Heute nahm ich es nicht mal rich tig zur Kenntnis. Auch die anderen 200 Tiere aus 30 meist europäischen Wildarten interessierten mich nicht. Nach einem kleinen Fußmarsch durch den mit Eschen, Eichen und Ahorn bewaldeten Park endete der Weg direkt vor dem Wildschweingehege. Ein kurzer Blick über den Zaun ließ uns erkennen, dass

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