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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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man wohl die ursprünglichen Be wohner des Geheges in eine Schutzhütte getrieben hatte. Die zahlreichen Menschen, die nun das Terrain erobert hatten, waren allerdings ihren tierischen Vorgängern nicht unähnlich. Zumindest dem Verschmutzungsgrad nach. Trotz der regenarmen Zeit wurde das Wildschweinpara dies ständig feucht und moorig gehalten.
    Inzwischen hatten wir den Zugang erreicht. Ein reichlich schlammfarben getarnter Beamter zeigte uns stumm mit einer Hand den Weg zum Tatort. Das Schicksal war gna denlos. Keine zwei Meter weiter war es schon passiert. Ich knickte um und fiel mit einer vollen Breitseite in den Dreck.
    Gerhard wollte gerade anfangen, darüber zu lachen, als er ebenfalls das Gleichgewicht verlor. Er hatte das Glück, sich noch mit seinen Händen abstützen zu können. So traf es ihn nur bis zum Knie und bis in Ellenbogennähe.
    Ich ärgerte mich, dass ich gerade geduscht hatte. Ohne ein weiteres Mal die Bodenhaftung zu verlieren, erreich ten wir die Fundstelle der Leiche. Eine danebenstehen de batikbraune Person im wahrscheinlich ursprünglich weißen Schutzanzug drehte sich um und ließ mich zu sammenzucken. Dr. Metzger in Aktion. Er lächelte mich süßsauer an.
    »Der Polizeifunk, Herr Kommissar, Sie wissen schon«, zwinkerte er mir zu. Er deutete auf eine Trage, die auf Holzböcke gestellt war, dort lag der verhüllte Leichnam von Marek.
    »Sie sollten sich den Toten lieber nicht ansehen, Herr Kommissar. Einer Ihrer Kollegen hat vorhin schon ge kotzt.« Metzgers Mundwinkel vibrierte wie ein Kolibri. Hoffentlich fing er jetzt nicht an, Bananen zu essen.
    »Was ist mit ihm passiert? Wie lange ist er schon tot?«, fragte ich ihn.
    »Den Todeszeichen nach passierte es gestern Abend. Medikamentös konnte ich noch eine Pupillenreaktion aus lösen. Wussten Sie, dass die Hornhäute der Augen bis zu 72 Stunden den Hirntod überleben können?«
    Metzger rieb sich seine behandschuhten Hände. Mich wunderte, dass er überhaupt welche trug.
    »Er wurde regelrecht von hinten hingerichtet. Die Ku gel schlug aus nächster Nähe ins Scheitelbein ein und trat durch das Jochbein wieder aus. Von seinem Gesicht ist so gut wie nichts mehr zu erkennen. Er hat schätzungsweise die Hälfte seiner Hirnmasse verloren.«
    Übelkeit machte sich in meinem nüchternen Magen breit.
    »Klar ist aber«, fuhr der Doktor fort, »dass die Fund- stelle nicht dem Tatort entspricht. Er wurde hier lediglich abgeladen. Da er bereits die ganze Nacht hier gelegen hatte, gibt es auch Tierfraß an der Leiche. Nicht gerade appetit lich muss ich sagen.«
    »Weiß man schon was über den Tatort?«, mischte sich Gerhard ein.
    »Da müssen Sie Ihre Kollegen fragen. Ich weiß nur, dass man Schleifspuren gefunden hat. Von hier bis zum Zaun im Norden des Wildparks.«
    »Die Identität des Toten steht aber fest?«
    »So wie ich es vorhin verstanden habe, wurde er anhand seiner Kleidung vorläufig identifiziert, das Ergebnis des Fingerabdruckvergleichs soll bald zur Verfügung stehen. Er soll am gleichen Tag aus dem Knast entlassen worden sein, hat man mir berichtet. Na ja, das war für ihn ein kur zer Ausflug in die Freiheit.«
    Metzger lachte schon wieder.
    »Kannten Sie ihn aus Siegfrieds Containerdorf?«
    Metzger schaute mich erstaunt an.
    »Von Siegfried? Sagen Sie bloß nicht, dass das noch ei ner seiner Arbeiter ist!«
    Ich schwieg.
    »Natürlich wusste ich das nicht!«, brüllte er mich fast an. »Er hat ja kein Gesicht mehr!«
    Wir ließen ihn stehen undbeobachteten noch ein wenig die Experten, die im Schlamm wateten und nach Spuren suchten. Dieses Erlebnis würden sie wohl so schnell nicht vergessen.
    Gerhard hatte inzwischen einen von ihnen gezielt nach der Schleifspur gefragt. Wir verließen das schweinische Gelände und folgten der beschriebenen Richtung. Sie war nicht zu verfehlen, die Spur war beidseitig mit Absperr- band gekennzeichnet. Die Leiche wurde quer durch ein kleines Wäldchen gezogen und dann vermutlich über den Zaun des Wildschweingeheges geworfen. Damit nicht ge nug, hatte der Täter versucht, sein Opfer an einer tiefen Stelle im Morast zu versenken. Gerhard hatte während meiner Diskussion mit dem Frankensteinarzt erfahren, dass ein Tierpflegepraktikant die Leiche nur durch einen puren Zufall so früh gefunden hatte. Normalerweise hätte er keinen Anlass gehabt, diesen Bereich zu betreten.
    Kurze Zeit darauf kamen wir zum äußeren Zaun, der den Wildpark abschloss. Am Ende der Schleifspur war der Maschendrahtzaun

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