Ernteopfer
sich an ihre sauteure Colani-Ecke und ich mich ihr gegenüber.
»In Schifferstadt hat vor 150 Jahren ein Bauer beim Pflügen den Goldenen Hut gefunden. Kommt so etwas öfters vor, dass man bei der Feldarbeit historische Stücke findet?«
»Komisch, dass Sie mich nach so was fragen. Da gibt es tatsächlich einen Professor, der will seit über einem Jahr einen Acker von uns pachten, um dort private Grabungen zu machen. Also ohne offizielle Genehmigungen, nur so auf seinen Verdacht hin.«
Bingo, dachte ich. Man muss nur die richtigen Fragen stellen.
»Wären Sie so freundlich, mir den Namen dieses Pro fessors zu verraten und wo sich dieser interessante Acker befindet?«
»Klar, das ist ja kein Geheimnis. Der gute Mann heißt Professor Müller und leitet zurzeit die offizielle Grabung auf dem Nachbargrundstück. Dieses Grundstück gehört aber nicht zu uns.«
Jetzt überschlug sich beinahe meine Stimme.
»Etwa der Acker, wo man am Freitag den Toten ge funden hat?«
»Ja, genau. Wussten Sie das nicht? Das Flurstück, auf dem gerade gegraben wird, gehört unserem Wettbewerber Firma Freuchte. Die sind übrigens ebenfalls Genossenschaftsmitglied bei Siegfried.«
»Hat der Professor gesagt, wonach er speziell auf Ihrem Grund suchen möchte?«
»Klar, der hat mir schon mehrmals einen Vortrag über irgendwelche Epochen gehalten. Ich muss freilich zuge ben, dass ich da nie besonders zugehört habe, da mich das alles nicht die Bohne interessiert. Was er dort vermutet, soll aber schon ein paar 1000 Jahre im Boden liegen. Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, ob er dort einen weiteren goldenen Hut vermutet oder etwas anderes.«
»Warum verpachten Sie das Stück dann nicht an den Professor?«
»Das hat mehrere Gründe. Angefangen hat das schon letztes Jahr. Mein Mann wollte damals mehr Geld, als Mül ler geboten hatte. Es war also nur eine Geldfrage. Oder eine Verhandlungstaktik meines Mannes, je nachdem, wie man es sieht. Nach dem Tod meines Mannes hat er sich dann selbst ins Aus befördert. Stellen Sie sich das mal vor: Direkt nach der Beerdigung ist er zu mir gekommen, hat mir kurz sein Beileid ausgesprochen und dann sofort we gen der Grabung nachgefragt. Seitdem stößt er bei mir auf Granit. Mein Vorarbeiter meinte zwar, ich sollte mir das noch mal überlegen, aber ich bleibe eisern.«
»Was würde passieren, wenn Sie zufällig etwas auf Ihrem Acker finden würden? Sie sind doch dann wahr scheinlich verpflichtet, das sofort zu melden, oder?«
»Theoretisch ja, da haben Sie recht. In der Praxis sieht das, ehrlich gesagt, anders aus. Durch den Maschinen einsatz wird es nur selten bemerkt, wenn sich da ein prä historischer Fund zwischen den ganzen Steinen befinden sollte. Und wenn in ganz seltenen Fällen mal tatsächlich was gefunden wird, wägt ein Landwirt natürlich genau ab, was für ihn wichtiger ist. Sein betriebswirtschaftlicher Erfolg oder ein paar zusätzliche Scherben im Museum. Sie verstehen hoffentlich, was ich meine?«
Ich nickte. Inzwischen wusste ich ja einiges über die Gepflogenheiten dieser Branche.
»Eines würde mich aber noch interessieren, das habe ich noch nie verstanden. Ein Feld wird bestellt, dabei werden die oberflächlichen Steine entfernt. Ein Jahr später das glei che Spiel. Irgendwann müssten doch alle Steine aus dem Acker verschwunden sein.«
Frau Weiß lachte.
»Das, mein lieber Herr Palzki ist ein weitverbreite ter Trugschluss. Die Steine wachsen nämlich jedes Jahr nach.«
Ich schaute sie ziemlich irritiert an.
»Nein, nicht so, wie Sie jetzt meinen. Die Steine wan dern aus den Tiefen des Erdreichs langsam in die Höhe. Jedes Jahr nur ein paar Millimeter, manchmal vielleicht einen Zentimeter. Und irgendwann hängen sie dann mal in den Maschinen.«
»Und wie funktioniert das? Im Physikunterricht habe ich mal was von der Erdanziehungskraft gelernt. Ihre The orie passt da nicht so ganz dazu.«
»Was ich Ihnen erzählt habe, ist keine Theorie. Passen Sie auf: Es regnet, ein Teil des Wassers verdunstet, der Rest versickert im Boden. Dann kommt der Winter und das bodennahe Wasser gefriert. Wie Sie hoffentlich in der Schule gelernt haben, vergrößert sich das Volumen von gefrorenem Wasser. Wenn das nun im Boden passiert und ein Stein drüberliegt, wird der jetzt ein wenig nach oben gedrückt. Schmilzt dann das Eis, rieselt seitwärts Sand unter den Stein. Und schon ist er ein Stück nach oben gewandert.«
»Aha, vielen Dank für die Aufklärung. Man lernt nie aus. Aber sagen
Weitere Kostenlose Bücher