Eroberer der Unendlichkeit
schätzte. Dennoch war die Luft eher feucht als kalt. Und auch der Schnee erschien nicht kalt.
Zee zitterte. Ihre Arme waren nackt, und sie trug nicht mehr als das dünne Schleiergewand. Martt zog seine Jacke aus, aber Zee wollte sie nicht.
»Aber du frierst doch sicher, Zee«, sagte er kopfschüttelnd.
»Nein.« Ihre Zähne klapperten. »Ich – ich habe Angst. Die Nacht hier – es ist wie ein Grab, Martt.«
Sie hatte recht. Wie ein Grab. Ein feuchtes, frostiges Schweigen brütete über dem Land. Und dann, fast ohne Ankündigung, brach der Tag herein. Eine kleine, kalte rote Sonne stand am fernen schwarzen Horizont. Düsteres Licht. Es färbte den Schnee wie Blut …
Degg sah Zee traurig an.
»Immer Blut. Es ist ein böses Vorzeichen … Mein Land – zum Untergang verurteilt …«
Zees Stimme zitterte, als sie Martt diese Worte übersetzte.
Sie mißtrauten Degg nicht mehr. Er schien es wirklich gut mit ihnen zu meinen. Er erzählte ihnen von seiner Welt – von Rokk und seiner Frau Mobah. Im Innern haßte und fürchtete Degg diesen Rokk.
»Weshalb?« wollte Zee wissen.
Er sah sie mit dunklen, ernsten Augen an.
»Du bist zu sanft, um das zu verstehen. Wir haben viele schreckliche Dinge hier in Arc. Ich würde mit dir nie darüber sprechen.«
Degg erzählte, daß es Rokks Plan gewesen sei, Leela und Frannie zu seinem Wohnort zu bringen. Degg sollte dort mit ihm zusammentreffen … Es war nicht sehr weit entfernt.
Degg nannte es Rokks ›Hügel‹. Sie waren auf dem Weg zu ihm. Bald würde die Nacht wieder hereinbrechen …
Martt hatte den Plan gehabt, noch einmal die Wachstumsdroge zu benutzen und sich größer als Rokk zu machen, um ihn dann zu überraschen. Aber das ging nicht. Die Droge konnte sie nicht größer machen. Das Maximum war erreicht. Degg konnte auch nicht sagen, weshalb das so war.
Die blutrote Sonne kletterte in einem niedrigen Bogen über den Himmel und versank schnell wieder. Für Martts Zeitsinn hatten sie etwa eine halbe Stunde Tageslicht gehabt. Nun kam wieder die bedrückende Nacht – und eine halbe Stunde später würde von neuem die düstere Sonne über den Himmel wandern.
Martt drängte Degg voran. Eeff hatte die Führung übernommen, ein leuchtender, grünweißer Fleck gegen die Schwärze des Bodens. Dann blieb das Tier stehen. Sein Auge geriet in Bewegung. Es kreischte los – ein langgezogener, schaudernder halbmenschlicher Angstschrei.
Degg stand wie erstarrt da – eine Statue in der Dunkelheit. Und dann sahen auch Martt und Zee, was Eeff so erschreckt hatte. Zee stieß einen unterdrückten Ruf aus.
Es war etwa dreißig Meter entfernt – ein stumpfes, düsteres Rot, als sei es von der kleinen Sonne beleuchtet. Ein Ding, das vielleicht eine lange, blutrote Ranke sein konnte. Kein Tier, eher eine Pflanze. Es lag auf dem Boden – ein starker, breiter Stengel und nach oben gerichtete Zweige mit Blättern, die sich wie Tentakel bewegten. In gewissen Abständen zeigten sich auf langen Stielen runde grüne Lichter. Leuchtende, unheilvolle Augen.
Das Ding lag der Länge nach auf dem Boden. Aber es ruhte nicht. Sein ganzer Stengel war in dauernder zuckender Bewegung. Es drehte und wand sich wie eine Schlange. Die Augen schienen alle in die Richtung der Eindringlinge zu starren. Augen, die Intelligenz verrieten – einen Verstand. Verstand bei einer Pflanze!
Eeff kauerte zu Deggs Füßen und brabbelte angsterfüllt vor sich hin. Degg murmelte:
»Es ist entwurzelt! Frei! Es – ich habe Rokk gesagt, sie würden sich eines Tages losmachen – bevor er soweit war …«
»Entwurzelt!« wiederholte Zee.
Entwurzelt. Es glitt hinweg in die Dunkelheit, wurde zu einem blutroten Fleck und verschwand schließlich ganz …
Sie gingen weiter. Degg wollte nichts sagen, er wiederholte nur immer:
»Ich wußte, daß sie die Wurzeln abwerfen würden. Daß sie überall herumstreifen würden! Und Rokk glaubte, er könnte es wagen, sie überall anzupflanzen …«
Vor uns lag eine Anhöhe. Über ihrem Grat war nur der purpurne Himmel sichtbar – und die Sterne, die ihre schnellen, niedrigen Bahnen zogen. Martt, Degg und Zee gingen dicht nebeneinander, und Eeff schmiegte sich an sie.
Eeff begann wieder zu wimmern und dann zu kreischen.
Und von vorn, von jenseits des Hügels kam ein Antwortschrei! Es war kein Echo, sondern ein menschlicher Schrei. Er trieb Martt das Blut in die Schläfen und nahm ihm den Atem. Es war die Stimme eines Mädchens gewesen – Frannies Stimme!
Trotz des
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