Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
er es.
    Wütend rappelte Wuffa sich von seinem Strohlager hoch, ging zur Tür und stieß sie mit dem Fuß auf. Im Licht des Kometen sah er den Bischof, der ausgestreckt auf dem Rücken lag; ein dunkler Blutfleck breitete sich auf seinem Kittel aus. »Im Namen deines an seinen Baum genagelten Gottes, was tust du, Ammanius?«
    Der Bischof betastete sein Gesicht. Das Gurgeln von Blut übertönte seine gedämpften Worte. »Ich glaube, du hast mir die Nase gebrochen.«
    »Ich hätte dir deinen betrunkenen Hals brechen sollen. Warum bist du in mein Bett gekommen?«
    »Weil sie in seinem liegt«, sagte der Bischof verzweifelt.
    Es dauerte eine Weile, bis Wuffa, immer noch benommen von der Unterbrechung seines Schlafs und dem Schock, verstanden hatte, was geschehen war. Offenbar hatte der Bischof Signale von Ulf, die es womöglich nur in seiner Einbildung gab, falsch gedeutet und war zu dem Nordmann ins Bett gestiegen – wo er Sulpicia vorfand. Aus Verzweiflung und Verlangen war er dann zu Wuffa gekommen.
    Nun waren also die Spannungen, die sich während dieser ganzen langen Reise zwischen ihnen allen aufgebaut
hatten, in einem einzigen makabren Augenblick zum Ausbruch gekommen, dachte Wuffa düster. Er hätte eigentlich Zorn empfinden sollen, war aber zu betäubt dafür. Er schaute zur Tür hinaus, auf den Kometen, der über den Ozean segelte.
    Der Bischof zappelte wie ein gestrandeter Fisch auf dem Boden herum. »Wir sind betrogen worden, Wuffa, wir sind beide betrogen worden!«

VIII
    Um zur Linie des Walls zu gelangen, mussten sie sich in südlicher Richtung halten; auf dem Weg an der Küste entlang nach Norden waren sie an der alten Befestigungsanlage vorbeigekommen. Sie durchquerten ein unbemanntes, längst verlassenes und verfallenes Torkastell. Dann gelangten sie zu einer Straße in halbwegs gutem Zustand, die neben einem mit Abfall gefüllten Graben an der Südseite des Walls verlief. Sie ritten diese Straße entlang und folgten der Linie des Walls nach Westen in Richtung Banna.
    Man merkte dem Wall sein Alter an. Hier und dort war er seiner säuberlich zurechtgehauenen Blendsteine beraubt worden, sodass ein gröberer Kern aus Schutt und Zement freilag, aber es gab auch lange Strecken, wo er noch gut erhalten war, und man sah sogar Spuren von Tünche und roter Farbe, die Jahrhunderte alt sein mussten. In regelmäßigen Abständen standen Torkastelle und Türme, die von höher gelegenem Gelände aus wie Entfernungsmarkierungen wirkten. Obendrein schmiegten sich auch noch mehrere große Kastelle an den Wall: Festungen von den Ausmaßen kleiner Städte. Einige wurden noch genutzt, allerdings nicht mehr von Soldaten, sondern von teils britischen,
teils germanischen Bauern. Sie wohnten in bescheidenen Holzhallen, die sich in den Windschatten der großen Bauwerke der Vergangenheit kauerten.
    Je länger sie unterwegs waren, desto mehr beeindruckte Wuffa die schiere Größe des Walls. Er zog sich einfach quer durch die Landschaft und ließ sich weder von Höhenrücken noch von Flüssen aufhalten. Er überspannte die schmalste Stelle dieses Insellandes von Osten nach Westen, von Küste zu Küste, friedete den gesamten südlichen Teil der Insel ein, von Eoforwic über Lundenwic bis nach Reptacaestir, und schützte all diese angreifbaren Orte vor den Raubzügen der Barbaren, die weiter im Norden gelebt hatten. Und trotz seiner Baufälligkeit war er so riesig, dass sie vom einen Ende zum anderen vier Tage brauchten. Wuffa hatte noch nie zu denen gehört, die voller Ehrfurcht Ruinen angafften. Doch als ihm die Dimensionen des Walls allmählich bewusst wurden, glaubte er einen Blick auf die maßlosen, unmenschlichen Ambitionen von Kaisern erhascht zu haben, die mit einem einzigen Federstrich ein Land in zwei Teile zerschneiden konnten.
    Und im Schatten des mächtigen Walls waren die vier noch immer in ein Gewirr aus Rivalität und Begehren verstrickt.
    Seit Bebbanburh war Wuffas ehemalige Freundschaft zu Ulf von Neid zerfressen worden. Ulf schien ihm nun verschlagen, manipulativ und falsch zu sein – und er hatte Sulpicia erobert, was Wuffa maßlos ärgerte. Sulpicia wiederum schien seinen Zorn als Kränkung zu
empfinden. Soweit es sie betraf, gehörte sie sich selbst und war keine Sklavin, um die man sich zankte.
    Doch im weiteren Verlauf der Reise verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand. Sie versuchte es zu verbergen, aber Wuffa sah, wie sie sich den Bauch hielt, und hörte, wie sie sich morgens erbrach. Hatte Ulf ihr

Weitere Kostenlose Bücher