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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sangen die Skops noch immer von den großen Überfahrten jener, deren Gehöfte im alten Land im Wasser versanken, Geschichten am Rande des Vergessens, die von den Großvätern der Großväter erzählt wurden. Das waren keine Söldnertruppen gewesen, sondern ein Volk auf Wanderschaft.
    »Die Briten haben ihr Land verloren, Schritt für Schritt. Und nun sind sie hier, Flüchtlinge, die aus dem
Land ihrer Ahnen fliehen. Und im letzten Jahrzehnt ist eine neue Welle von Eindringlingen durch Reptacaestir geflutet.«
    »Wovon sprichst du?«, fragte Wuffa.
    Der Bischof brachte sie zu einer kleinen Kirche, die aus römischem Stein erbaut war. »Diese Kapelle ist Augustin geweiht. Der Erzbischof ist erst vor zehn Jahren hier gelandet – mit dem Auftrag des Papstes, euch heidnische Kinder zu dem einen wahren Glauben zu bekehren. Und das ist eine Invasion Britanniens, die kein Ende nehmen wird.«
    Wuffa ließ den Blick über die ramponierten Mauern, das Gewimmel der nordischen und germanischen Händler und die Gruppen der britischen Flüchtlinge schweifen. Inmitten dieser komplizierten, vielschichtigen Ruinen spürte er die Vergangenheit, als hätten sich die Türen einer riesigen, verlassenen Halle für ihn geöffnet. Es war faszinierend und beunruhigend zugleich.
    Doch als er Sulpicia einen Blick zuwarf, erfüllte ihn nur die helle Gegenwart, wie das diffuse Licht vom Meer, das die Schatten der verrottenden Mauern des Kastells bannte.

VI
    Wuffa und Ulf begleiteten Ammanius einige Tage lang zu anderen Hafenstädten im Südosten, wo der Bischof die Ausreise weiterer Flüchtlingsgruppen zum Kontinent beaufsichtigen musste. Viele dieser Häfen besaßen massive alte römische Befestigungsanlagen wie die von Reptacaestir. Der einzige Ort, von dem Wuffa gehört hatte, war Pefensae, das der Bischof Anderida nannte. Nach den Römern war hier innerhalb der Mauern eine britische Stadt entstanden, aber vor einem Jahrhundert waren die Sachsen gelandet und hatten die Briten bis zum letzten Mann niedergemacht, ein kühner Schlag, von dem die Skops noch immer sangen.
    Nachdem Ammanius’ Pflichten erfüllt waren, brachen die sechs in den hohen Norden auf, um nach der Sage von Isolde zu suchen.
    Auf ihrer Reise folgten sie größtenteils den von den Römern hinterlassenen, unterschiedlich gut erhaltenen Straßen. Ulf und Wuffa ritten ihre Pferde, während der Bischof, Sulpicia und die Novizen in einem robusten sächsischen Karren fuhren. In Britannien wimmelte es von Kleinkönigreichen, aber es gelang Ammanius mit Hilfe von Briefen seines Erzbischofs,
die er bei sich trug – und mittels der puren Kraft seiner Persönlichkeit, dachte Wuffa –, ihnen den Schutz eines Reiches nach dem anderen zu sichern.
    Sie übernachteten in alten Römerstädten, Wehrbauten auf Hügelkuppen oder Landhäusern. Umgeben von hastig errichteten Mauern, ähnelten die Städte eher schäbigen Festungen, in denen zwischen reetgedeckten Häusern aus Lehm und Stroh ein paar mächtige Steinbauten aufragten. In den römisch-britischen Herrschaftsgebieten boten die Städte in schlechten Zeiten Schutz, fungierten in guten als Märkte und waren Orte, wo Könige und andere kleine Herrscher ihre Steuern eintrieben.
    Die Hügelfestungen fand Wuffa interessanter, weil sie so anders waren als alles, was er bisher gesehen hatte. Sie waren nicht mit Steinmauern befestigt wie die Städte, sondern mit Erdwällen und hölzernen Palisaden. Ammanius, der Wuffas wachsende Neugier bemerkte, erklärte ihm, diese Anlagen hätten schon lange, bevor die Caesaren gekommen seien, brütend auf ihren Hügeln gestanden. »Und später sind die Britannier dann allmählich wieder in die Wehrbauten ihrer Vorväter zurückgekehrt. Es schien, als wären die Römer gar nicht hier gewesen …«
    Ammanius zog es vor, in den Landhäusern zu übernachten. Die imposanten alten Gutshöfe, die früher einmal reichen römischen Briten gehört hatten, waren nach dem Zusammenbruch des römischen Systems entweder aufgegeben oder in stark eingeschränkter Form weiter genutzt worden. Und später, als das britische
Christentum sich ausbreitete, wandelte man sie in Klöster um.
    An solchen Orten, umgeben von Mönchen, die ruhig ihrer harten Arbeit nachgingen, fühlte Bischof Ammanius sich offenkundig wohl. Und wenn er sich entspannte, trank er. Er mochte ein heiliger Mann sein, aber er liebte seinen Wein.
    Und je stärker ihm der Alkohol zu Kopfe stieg, desto mehr schienen ihn Ulf und Wuffa zu faszinieren.

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