Eroberer
liefen Schafe herum, und Schweine wühlten in kleinen Waldstücken. Belisarius kamen die Tiere klein vor; die Schweine hatten lange Beine, spitze Schnauzen und sahen wild aus. Die Germanen betrieben keine Viehhaltung, wie man es im Osten tat – oder wie es die Römer früher einmal hier in Britannien getan hatten. Stattdessen ließen sie die Tiere mehr oder weniger frei herumlaufen und fingen im Herbst die langsamen und alten ein.
Auf vielen Feldern und Allmenden standen steinerne Kreuze, die komplizierte, rebenartige Verzierungen aufwiesen. Macson zufolge waren sie von christlichen Missionaren hinterlassen worden, die sich von Augustins Landeplatz im Osten aus über die Insel vorgearbeitet hatten. Obwohl im Lauf der Zeit Gemeindekirchen gebaut worden waren, hatten die ersten Missionare diese Kreuze als Andachtsstätten für ihre frisch gebackenen germanischen Christen errichtet.
Ebenso augenfällig wie die Religion der Germanen war jedoch auch ihre brutale Justiz. An einem Galgen hing ein vertrockneter Leichnam, den Kopf nach unten, an den Knöcheln aufgehängt. Macson sagte, König Offa habe eine besondere Vorliebe für diese Hinrichtungsmethode; er habe sie bei vielen seiner eigenen aufsässigen Verwandten benutzt. Es musste ein langsamer und schrecklicher Tod gewesen sein.
Und sie kamen durch verlassene Römerstädte, wo die ausgebrannten Ruinen von Amtsgebäuden, Geschäften
und Badehäusern aus wild wucherndem Grün ragten. Die Briten hatten diese Städte noch lange nach dem offiziellen Ende der römischen Herrschaft am Leben zu erhalten versucht, aber die germanischen Einwanderer hatten sie gemieden und ihre eigenen Holz- und Lehmbauten vorgezogen. Mancherorts hatten die Germanen den Städten sogar schnurstracks den Garaus gemacht, indem sie ihre Brunnen mit Schutt zuschütteten. Für den inmitten der beständigen Pracht Konstantinopels aufgewachsenen Belisarius waren diese Trümmerstätten ein herzzerreißender Anblick. Was für eine zerbrechliche Barke die Zivilisation war, lädiert von Heidentum, Unwissenheit und Pestilenz.
»Bei den Germanen gibt es das so genannte wyrd «, sagte Macson. »Ist so was Ähnliches wie das Schicksal – aber vager, verwirrender. Sie glauben, der Niedergang der Römer sei darin begründet, dass sie die von göttlichen Zeichen erfüllte Landschaft entweiht hätten, dass es Zeit für sie gewesen sei, zu gehen – wegen des wyrd . Jetzt errichten die Germanen ihre eigenen Königreiche. Aber sie glauben, dass sie ein ihren Göttern gefälliges Leben führen müssen, weil das wyrd sonst auch sie beizeiten zugrunde richtet.«
»Ich dachte, die Germanen wären jetzt Christen. Weshalb halten sie an solchen heidnischen Vorstellungen fest?«
Macson schnaubte voller Verachtung für alles Germanische.
Ob sie sich nun vor dem wyrd fürchteten oder nicht,
die Germanen hatten eine eigene Vision, wie Belisarius erfuhr, als sie auf Offas Damm stießen. Das war ein vier bis fünf Mann hoher, aufgeschütteter Wall, der von einer hölzernen Palisade oder manchmal auch einer steinernen Brustwehr gekrönt wurde. Einige Türme und Tore waren von brutal aussehenden Kriegern in Kettenhemden bemannt, und Signalfeuer flackerten.
Und dieser Wall war hundert römische Meilen lang, eine mächtige Befestigungsanlage, die von der Sabrina-Mündung im Süden bis zur Küste im Norden verlief und an einer wealisc -Siedlung namens Prestatyn endete – obwohl es Macson zufolge Strecken gab, wo sie einen Fluss und ältere Befestigungsanlagen einbezog. Der Damm war eine auf Befehl des Mercier-Königs errichtete Nord-Süd-Barriere, mit der Offa seine germanischen Königreiche von den Ländern der wealisc – der vertriebenen Briten im Westen – trennen und dadurch eine unruhige Grenze stabilisieren wollte. Erst ein paar Jahre alt, war der Damm eine frische, blutige, ins Fleisch der grünen britischen Landschaft geschlagene Wunde.
Nach einigen Tagen auf der Straße schien der alte Mann, Caradwc, allmählich munterer zu werden. Belisarius fragte sich, ob die saubere Luft fern der schmutzigen germanischen Ortschaften ihm gut tat. Er begann, in passablem Latein Konversation zu treiben, und erkundigte sich, welche heiligen Stätten Belisarius auf seinen Reisen besucht und welche Reliquien er gesehen habe. »Und sag mir, wann wird der Kaiser in
diese Provinz zurückkehren und sich die heidnischen Germanen vorknöpfen?«
Noch lange nach dem Untergang des Westreichs hatten die Kaiser Ambitionen gehegt, die
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