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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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gesagt, wenn ich schon etwas lernen müsse, dann hier.«
    »Ich war dagegen, falls es dich interessiert«, sagte er streng. »Dies ist ein Männerhaus. Man hätte dich in eins der gemischten Häuser schicken können.«
    »Mein Vater wollte mich in der Nähe behalten.«
    »Warum?«
    »Weil er mich liebt«, platzte sie heraus.
    »Ah, Vaterliebe. Daran habe ich wohl nicht gedacht. Ich habe keine eigenen Kinder und werde auch nie welche haben. Hier opfert man die Familie für ein größeres Wohl.«
    »Wenn du dagegen warst, wieso bin ich dann hier?«
    »Es war die Entscheidung des Abtes.« Und die neutrale Art, wie er es sagte, ließ darauf schließen, dass
bei dieser Entscheidung des Abtes alles andere als fromme Erwägungen den Ausschlag gegeben hatten, zum Beispiel die »Mitgift« ihres Vaters. »Aber jetzt, wo du hier und meiner Obhut anvertraut bist – einer der besseren Streiche, die mir der Abt im Lauf der Jahre gespielt hat –, ist es meine Pflicht, mich um deine Seele zu kümmern«, fuhr Boniface fort. »Und ich habe diese kleine Seele erblühen sehen, glaube ich. Dein Vater hatte recht. Bei den Römern gab es damals Schulen, in denen man alles lernen konnte, was man wollte. Recht. Naturwissenschaften. Geschichte, Kunst, Philosophie. Jetzt befinden sich die einzigen Schulen Britanniens in den Klöstern …«
    »Und ich darf nur etwas über Christus lernen.« Ihre Hände flogen entsetzt an ihren Mund. »So habe ich das nicht gemeint.«
    »Doch, hast du«, sagte er milde. »Zumindest kann man dir nicht vorwerfen, du würdest nicht die Wahrheit sagen. Aber du musst es gegenüber deinem Beichtvater wiederholen.«
    »Das werde ich.«
    »Offensichtlich gilt deine Neugier weitaus mehr Dingen als der Bibel.« Er machte eine Handbewegung zu dem Pergament auf dem Tisch. »Sonst würdest du deine Arbeit nicht mit heidnischen Symbolen schmücken. Und versuche nicht, es zu leugnen. Ich gehöre nicht zu denen, die Neugier für eine Sünde halten, mein Kind. Aber ich fürchte, deine Fragen könnten unbeantwortet bleiben – zumindest bis zu deinem Tod, wenn du dich dem Licht Christi hingibst und alle
Antworten offenbart werden. Und nun hat das Menologium deine Neugier geweckt, nicht wahr?«
    »Wie könnte es anders sein?«, sagte sie höflich. »Aber das Menologium – ich weiß, wie wichtig es ist …«
    »Oh, sprich frei heraus, Kind, Geschwafel kann ich nicht leiden.«
    »Ich mag keine Rätsel! Wann kann ein Schild kein Schild sein und eine Insel keine Insel? Und eins sage ich dir, ein König würde sich niemals vor einem Eremiten verneigen.«
    »Du enttäuschst mich. Ich habe dich unter anderem deshalb am Menologium arbeiten lassen, weil ich von dir erwartet habe, dass du es herausfindest. Überleg noch mal – nimm das einfachste Element. Fällt dir kein Beispiel für eine Insel ein, die keine Insel ist? Bist du wirklich so beschränkt? Du lebst auf einer , mein Kind.«
    Und vor ihrem geistigen Auge erschien sofort der Damm. »Lindisfarena? Hier? «
    »Eine Insel, die keine Insel ist, eine Insel wie ein Schild … und was den Rest der Strophe betrifft – den König und den Eremiten –, hast du Bedas Geschichtswerk nicht gelesen? Hast du noch nie vom heiligen Cuthbert gehört?«
    Vor hundertfünfzig Jahren, zur Zeit König Oswalds, der Aidan nach Lindisfarena geholt hatte, war der northumbrische Herrscher von den anderen germanischen Königen der Mercier, der Ostangeln, der Kenter und der West-, Ost- und Südsachsen als ihr Bretwalda
anerkannt worden; landeinwärts bei Ad-Gefrin hatte man eine riesige Halle errichtet, und Bebbanburh, nicht das ferne Lunden, war die Hauptstadt des germanischen Britanniens gewesen. Aber die Zeiten waren turbulent. Immer wieder fielen Briten und Germanen, Christen und Heiden in Northumbrien ein. Und Oswald wurde von Oswiu getötet, dem Spross einer rivalisierenden Dynastie.
    Um seine Stellung zu festigen, nahm Oswiu, ein britischer Christ, eine Königin zur Gemahlin, die den Lehren Roms folgte, und berief eine Kirchenversammlung ein. Nach einer heftigen Debatte gab man dem römischen Christentum den Vorzug vor dem britischen. Britannien jedoch besaß nun eine vereinigte Kirche, auch wenn das Land selbst gespalten blieb.
    Oswius Sohn Ecgfrith war ein Kriegerkönig. Ecgfrith brauchte einen starken Bischof in Hagustaldasea, einer Stadt am römischen Wall, und so wandte er sich Lindisfarena zu, wo ein Priester namens Cuthbert im Gegensatz zu den römischen Bischöfen mit ihrem

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