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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Fluss. Ein schlichtes Holzkreuz markierte sein Grab.

X
    Ein paar Tage nach ihrem Gespräch mit Rhodri – in der Halle brannten die qualmenden Walblubber-Kerzen, und der Raum war vom zufriedenen Gebrummel der Gespräche erfüllt – unterbreitete Gudrid ihrem Vater den Vorschlag, noch einmal nach Lindisfarena zu fahren.
    Seine Skepsis überraschte sie nicht.
    »Es wäre vielleicht ganz lustig, ein paar Mönchen den Schädel einzuschlagen«, sagte Bjarni. »Aber deshalb fahren wir nicht dorthin.«
    »Warum dann?«
    »Land . Wir brauchen mehr Land, Gudrid.«
    Bjarni war ein kräftiger Mann mit straff nach hinten gebundenem, ergrauendem blondem Haar über einer hohen Stirn und einer Nase, die so scharf war wie eine Axtklinge. In seinen fünfundvierzig Lebensjahren hatte er seinen Teil an Kämpfen absolviert, aber Gudrid wusste, dass seine Muskeln vom Aufbau seiner Bauernhöfe stammten. Er war nicht blutrünstig und kein geborener Plünderer; seine Fahrten dienten einem höheren Ziel.
    Bjarni trat in die Fußstapfen vieler Älterer. Wie Bienen, die sich aus einem Stock wagten, tasteten sich
die Schiffe der Wikinger aus den überfüllten Fjorden vor. Das geschah nicht auf Befehl eines Königs, denn Könige waren schwach in einem von Natur aus derart zerteilten Land, sondern auf Initiative unabhängiger, willensstarker Männer. Ihr Interesse galt nicht nur Britannien und den dazugehörigen Inseln, sondern auch den wärmeren Ländern weiter im Süden und sogar dem Osten, wo gewaltige Flüsse das Wasser aus dem Inneren Asiens zum Meer transportierten – Flüsse, die Wikingerschiffe ebenso gut befahren konnten wie das Meer.
    »Die ersten Überfälle sind immer von entscheidender Bedeutung. Wie jedermann weiß, sind die germanischen Königreiche in Britannien fragil und zänkisch und werden von inneren Streitigkeiten zerrissen. Auf lange Sicht werden sie uns also kaum widerstehen können. Aber je geringer der Preis für unseren Erfolg ist, desto besser, wenn man mich fragt. Und da geht nichts über das Überraschungselement.« Er lächelte sie an. »Deshalb wäre es ein Fehler, deinem Traum von einer Familiensage nachzujagen.«
    »Ich bestreite nicht, dass es mir genau darum geht«, sagte sie. »Aber hör mir zu, Vater. Es gibt auch noch andere Gründe, nach Lindisfarena zu fahren. Diese Mönche sind reich . Reicher, als du dir vorstellen kannst.«
    Er schüttelte den Kopf. »Unsinn. Niemand würde seine Reichtümer an solch einem ungeschützten Ort wie einer küstennahen Insel aufbewahren.«
    »Du denkst wie ein Seefahrer, nicht wie ein Christ.
Die Mönche sind nach Lindisfarena gekommen, um ihre Landsleute zu ihrer Religion zu bekehren, Vater. Sie waren auf der Suche nach einem sicheren Ort. Aber in ihren Augen kam die Gefahr vom Land , nicht vom Meer. Darum beschlossen sie, auf einer Gezeiteninsel zu leben, weil diese vom Land aus schwer zu erreichen ist. Ihnen scheint gar nicht in den Sinn gekommen zu sein, dass ein Angriff vom Meer aus erfolgen könnte. Sie werden völlig wehrlos sein.« Sie wiederholte Rhodris Worte über die Pilger, die ihr Geld mitbrachten, um es dem Kloster zu schenken. »Glaub mir, diese Mönche auf Lindisfarena sind reich!«
    »Wem soll ich glauben, dir oder einem geldgierigen Sklaven?« Er dachte darüber nach. »Na schön, mein Kind. Dieses eine Mal werden wir tun, was du sagst – wenn die anderen einverstanden sind. Aber erzähl mir eins: Bist du sicher, dass diese Prophezeiung die ganze Mühe wert ist? Spricht sie nicht vom Christus? Jeder weiß, dass der Christus ein mächtiger Gott ist. Er hat selbst hier seine Anhänger. Einige der Männer könnten Angst davor haben, sich auf einen Kampf mit seinen Anbetern einzulassen.«
    Sie grinste. »Der Christus hat sich an einen Baum nageln lassen. Ich würde bei einem Zweikampf jederzeit auf Woden setzen. Man brauchte ihm bloß einen Hammer zu geben!«
    Bjarni grinste und klopfte ihr auf die Schulter. »Ich habe es schon früher gesagt und sage es erneut, Gudrid. Manchmal wünschte ich, du wärst mehr wie
deine Schwester Birgitta. Aber du hast den Verstand eines Sohnes …«
    »Und auch dessen Bauch«, sagte sie trübselig.
    Er legte seine Hände auf ihre. »Hab Geduld.«
    »Noch eins«, sagte sie und hoffte, dass sie den Bogen damit nicht überspannte. »Der Überfall auf Lindisfarena.«
    »Ja?«
    »Ich komme mit.« Und sie lief hinaus, bevor er es ihr abschlagen konnte.

XI
    Am frühen Morgen erreichten Belisarius und Macson die Nordostküste

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