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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Germanen in medizinischen Dingen – als einziges Heilmittel für die meisten Erkrankungen diente ihnen ein Gebet oder ein Zauber – überraschte es Belisarius, dass überhaupt einer von ihnen überlebte.
    Belisarius verneigte sich, wünschte dem Mädchen alles Gute und zog sich zurück.
    Draußen wanderte er zwischen den zusammengesackten Holzhäusern umher. Die Stille wurde nur von den Stimmen der Menschen, dem Gesang der Vögel und dem Zischen des Blasebalgs eines Schmieds durchbrochen. Es schien nur eine Pflugmannschaft im Dorf zu geben, aber sie arbeitete wahrscheinlich für alle, als Gegenleistung für andere Dienste. Niemand in diesem Land war wirklich frei, schien es ihm; jeder schuldete jemand Mächtigerem Untertanenpflichten – in diesem Fall zweifellos dem Abt des Klosters. Aber
die Könige waren so weit entfernt, dass sie sich nicht sehr oft einmischten, und jeder war in ein Netz aus Verpflichtungen und gegenseitiger Hilfe eingebunden. Manchmal beneidete Belisarius diese Gesellschaft um ihre unerschütterliche Sicherheit, obwohl er es nicht für erstrebenswert hielt, sein Leben lang den Hunger nur durch einen gnadenlosen Arbeitszyklus in Schach halten zu können.
    Schließlich traf Belisarius auf Guthfrith, der gerade Holz hackte. In Belisarius’ unsicherem Germanisch unterhielten sie sich über das Wetter und die Ernteaussichten, und Guthfrith zeigte ihm das Holz, das er bearbeitete. Esche ergab das ganze Jahr hindurch das beste Feuerholz; Birke brannte zu schnell, und Ulme war so feucht, dass sie nicht viel Wärme abgab. Eiche wurde aufgestapelt, damit sie für den Winter trocknete; ihre Scheite brannten langsam und gut. Weißdorn war das beste Brennmaterial für den Ofen, wohingegen Linde zwar schlecht brannte, sich aber für Schnitzereien eignete. Erle ergab gute Holzkohle. In den alten Zeiten, sagte Guthfrith, habe man im Innern der Häuser nie Erle verbrannt, weil die Göttin Hag darin wohne, und die wolle man nicht in seinem Haus haben …
    Für Belisarius war Holz einfach nur Holz. Nun bekam er einen kurzen Einblick in die Denkweise eines Menschen, dessen Ahnen von Wäldern gelebt hatten und für den der Baum heilig war, die Verbindung zwischen Erde und Himmel und in seiner geduldigen Langlebigkeit die Heimstatt aller Weisheit. Das Bewusstsein
dieses Germanen, dessen Vorfahren keinen Kontakt mit dem römischen Imperium gehabt hatten, war völlig fremdartig, dachte er, anders als das der Goten und Vandalen, die die kontinentalen Provinzen besetzt hatten. Es war faszinierend, und Belisarius beschloss, sich so viel wie möglich für seine Memoiren zu merken.
    Macson kam herbei. »Ich glaube, ich habe den Mann gefunden, der uns zum Kloster bringen soll«, sagte er trocken. Er hob den Finger an die Lippen, damit Belisarius sich leise verhielt, und führte ihn zu einer der Hütten.
    Im Eingang lag ein Paar, die Beine in der Sonne, Kopf und Schultern im Schatten. Der Mann lag obenauf. Er trug eine schwarze Kutte, die über die Taille hochgerutscht war, und sein weißer Hintern wippte auf und ab wie die Blume eines Kaninchens. Die Frau lag passiv da; ihr Blick ging ins Leere. Sie sah aus wie eine Sklavin.
    Es war nicht das erste Mal, dass Belisarius bei den Germanen ein solches Verhalten sah. Herren kopulierten mit ihren Sklavinnen häufig unter freiem Himmel, selbst wenn sie diese auf den Märkten von Brycgstow feilboten. Aber wie Macson leise sagte: »Ich glaube kaum, dass so etwas dem Verhaltenskodex von Mönchen entspricht. Aber ich wäre auch nicht überrascht, wenn es in diesem Dorf von kleinen Bastarden mit Tonsuren wimmeln würde.«
    Endlich kam der Mönch – seine weißen Schenkel erzitterten – und rollte sich herunter. Das Mädchen
blieb noch einen Moment liegen, die Beine gespreizt, den Kittel von seinem Schweiß befleckt. Dann stand sie auf, richtete ihre Kleider und machte sich sofort auf den Weg zu den Feldern.
    Macson trat vor. »Du musst Diakon Elfgar sein.«
    Der Mönch öffnete überrascht die Augen. Er sprang auf und zog die Kutte über seinen schlaffen Schwanz. »Gott sei mit euch«, murmelte er schwitzend auf Lateinisch.

XII
    Boniface befahl einem Novizen namens Aelfric, Belisarius und Macson ein wenig Wein zu kredenzen. Das tat er mit ausdrücklicher Genehmigung des Abtes; ansonsten tranken die Brüder nur sonntags Wein, und zwar ausschließlich zu ihrer Mittagsmahlzeit, dem prandium .
    »Wir leben hier nach den Lehren des heiligen Benedikt«, sagte Dom Boniface in

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