Eroberer
Komputist, die ganze Zeit genau gewusst hatte, was die Prophezeiung enthüllen würde – und wann diese Bedrohung eintreten würde.
Er richtete sich auf und versuchte nachzudenken. »Wir fahren sicher am besten damit, wenn wir davon ausgehen, dass diese Strophe ebenso wahr ist wie die vorherigen Strophen, dass diese Gefahr also bedrohlich näher rückt. Wir müssen Schutz suchen. Wer kann uns helfen?«
Macson zuckte die Achseln. »Der König gebietet über die Kämpfer. Aber wie könnten wir ihn erreichen?«
Zu Belisarius’ Überraschung sagte Aelfric: »Ich weiß, wie.«
XIII
Am Morgen standen Belisarius und Macson früh auf – wenn auch später als die Mönche – und warteten ungeduldig auf das Ende der letzten Andacht, nach der sie wieder mit Boniface sprechen zu können hofften.
Macson beklagte sich, ihm knurre der Magen. »Mag sein, dass diese Mönche von Gottes Wort satt werden, aber mein Bauch braucht da schon ein bisschen mehr.« Er trabte zum Dorf hinunter.
Macsons eigentliches Problem war nicht der Hunger, wie Belisarius wusste. Er hatte schließlich Mitleid mit ihm gehabt und ihm die offenkundige Wahrheit über Aelfric verraten: dass er eine Sie war, dass dieser junge Mönch ein Mädchen war. Mit einem Mal verstand Macson, weshalb er sich so hilflos zu dem Novizen hingezogen fühlte, aber er war gedemütigt und zornig. Belisarius verzichtete wohlweislich darauf, sich über ihn lustig zu machen.
Macson kam mit schwerem Brot vom letzten Winter zurück. Sie standen im kühlen Morgenlicht inmitten der dicht gedrängten Gebäude des Klosters, während das Gezwitscher der Vögel mit dem hohen, dünnen Gesang der Mönche konkurrierte, und kauten auf dem
harten Brot herum, bis es so weich war, dass man es herunterschlucken konnte.
Als die Mönche einer nach dem anderen die kleine Holzkirche verließen, um mit ihrem Tagespensum weiterzumachen, kam Aelfric zu ihnen herüber. »Dom Boniface ruht sich aus. Dank einer Dispens des Abtes braucht er sich nicht am opus manuum in der Mitte des Tages zu beteiligen. Er wird später mit euch sprechen.«
Macson grinste sie spöttisch an. »Wie nett von ihm.«
Aelfric wandte sich ihm zu. »Bist du wütend auf mich? Warum?«
»Ich musste ihm sagen, dass du ein Mädchen bist, weil er nicht von selbst darauf gekommen ist«, sagte Belisarius. »Du hast sein steinernes britisches Herz erweicht, Aelfric – oder ist das gar nicht dein richtiger Name?«
»Mein Vater hat mich Aelfflaed getauft.«
Macson errötete. »Du bist eine Lügnerin«, fauchte er. »Dein ganzes Leben ist eine Lüge. Möchten Christus und dein heiliger Benedikt etwa, dass du so lebst?«
»Was geht dich das an?«, gab Aelfric zurück. In ihrem Zorn wirkte sie auf Belisarius trotz ihrer schmutzigen Kutte und der hässlichen Tonsur auf ihrem Scheitel femininer denn je. »Vielleicht bist du in Wahrheit nur enttäuscht, dass ich nun doch kein hübscher Junge bin.«
»Es würde mich schon interessieren, weshalb du
hier bist«, warf Belisarius ein. »Warum versteckt sich ein Mädchen in einem Kloster voller Männer?«
»Weil ich sonst nirgends etwas lernen kann. Und mein Vater dachte, ich wäre hier in Sicherheit.« Ihr Vater, ein Mann namens Bertgils, sei ein Thegn des gegenwärtigen Königs von Northumbrien, Aethelred. »Man nennt ihn Aethelred den Schlächter«, sagte Aelfric düster. »Er ist Northumbriens zwölfter König in einem Jahrhundert, und von den Zwölfen sind vier ermordet worden. Aethelred ist zwar einmal ins Exil getrieben worden, hat seinen Thron jedoch zurückerobert. Und dann hat er die kleinen Söhne seiner Rivalen töten lassen, um seine Stellung zu festigen.«
Belisarius war klar, dass die Nähe zu solch einem König wie dem Schlächter für einen Thegn wie Bertgils eine Möglichkeit zum Aufstieg bedeutete, zugleich jedoch auch extrem gefährlich war. Und dieser Vater hatte seine Tochter offenbar richtig eingeschätzt. »Mir scheint, Bertgils ist ein kluger Mann. Und durch deinen Vater willst du uns also eine Audienz beim König verschaffen?«
»Mein Vater gehört zum Witan, dem Rat des Königs.«
»Dann hat er dich also hierher geschickt«, blaffte Macson, »damit du dich als Mann in einem Kloster verkleidest. Dein Gatte sollte dich beschützen.«
Aelfrics Nasenflügel blähten sich. »Ich habe keinen Gatten.«
»Warum nicht? Sind deine Schenkel verschrumpelt? Ist dein Bauch vertrocknet?«
»Aelfric«, fiel Belisarius ihm rasch ins Wort, »du musst wissen, es ist
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