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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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kein Zufall, dass wir hier sind. Macson hat den weiten Weg zurückgelegt, weil er von einem der Protagonisten der Sage abstammt, denen ihr euer Menologium verdankt. Zumindest glaubt er das.«
    Ihre Augen wurden groß. »Bist du ein Enkel von Wuffa? Oder von Ulf? Aber du bist doch Brite.«
    »Von einem dieser Rohlinge – ja«, gab Macson heftig zurück. »Ich stamme von Sulpicia ab, der Britin, die von einem dieser Barbaren – oder sogar von beiden  – vergewaltigt wurde.«
    »Es gab keine Vergewaltigung«, erwiderte Aelfric. »Wuffa hat Sulpicia geliebt. Ulf wollte sie ihm wegnehmen und auch die Prophezeiung stehlen. Sie haben miteinander gekämpft.«
    »Wer hat dir diese Geschichte erzählt?«
    »Sie stammt von dem Nachfahren Wuffas, der die Prophezeiung damals hierher gebracht hat.«
    »Die ganze Geschichte werden wir sicher niemals erfahren«, sagte Belisarius besänftigend. »Vielleicht sind das alles Teilwahrheiten.«
    Aelfric schien jetzt von Macson fasziniert zu sein. »Deine Familie hat diese Geschichte also lebendig erhalten. Haben deine Großväter sie niedergeschrieben?«
    »Wir konnten weder lesen noch schreiben«, sagte Macson mit einer Art von perversem Stolz. Er tippte sich an die Stirn. »Wir haben sie auswendig gelernt, Mann-Frau.«

    »Und weshalb bist du nun hier? Um Rache zu nehmen?«
    »Das ist ein ebenso gutes Motiv wie jedes andere«, antwortete Macson kalt.
    »Die Briten sind gut darin, einen Groll zu nähren«, sagte Aelfric. »Auch heute heißt dieses Land in ihrer Sprache noch ›das verlorene Land‹. Boniface sagt, der Verlust sei eine Strafe des Herrn für Gottlosigkeit und Verworfenheit gewesen. Aber es ist natürlich leichter, den Germanen die Schuld zu geben, als seine eigenen Sünden zu akzeptieren!«
    Macson machte ein finsteres Gesicht und ging steifbeinig davon.

XIV
    Das Drachenschiff war fünfzehn Schritte lang. Man hatte es auf einen Kiel gelegt, der aus einem einzigen Eichenbalken geschnitten und so sanft gekrümmt war, dass die Mitte nur eine Unterarmlänge tiefer lag als die Enden. Dieser mit großer Sorgfalt geformte Kiel verlieh dem Schiff den geringen Tiefgang, dank dessen es so leicht auf den Strand aufsetzen konnte, und er sorgte unterwegs auch für guten Halt im Wasser, um den Druck des Segels auszugleichen und ein Kentern zu verhindern. Der Schiffsrumpf bestand ebenfalls aus Eichenholz; die dicken, polierten Planken überlappten einander und wurden von Holzpflöcken festgehalten.
    Gudrid war natürlich ihr ganzes Leben lang mit solchen Schiffen gefahren – aber nur in den Fjorden oder in Küstennähe. Noch nie zuvor war sie aufs offene Meer hinausgesegelt, außer Sichtweite des Landes; noch nie hatte sie die Segelstraße befahren.
    In den Tagen vor dem Raubzug half Gudrid, das Schiff sauber zu schrubben, den Rumpf von Bewuchs zu befreien und die Abdichtung auszubessern, dann senkten sie den Rumpf ins Meerwasser, damit das Salz Ratten, Würmer und Flöhe tötete.
    Die Männer hängten ihre Kriegsschilde in Gestelle
an den Flanken des Schiffes, und sie brachen auf. Als sie Gelegenheit dazu bekam, setzte sich Gudrid an eins der Ruder. Sie arbeitete genauso hart wie jeder der Männer. Aber das wollene Segel mit seinen hellen Karos blähte sich über ihr; sie hatten Glück mit den Winden, sodass sie nur hin und wieder zu den Rudern greifen mussten.
    Der Sklave Rhodri war auf die Reise mitgenommen worden. Es gab immer Wasser zu schöpfen, Exkremente zu schippen oder andere unangenehme Aufgaben zu erledigen, und seine Ortskenntnisse würden ihnen am Ende der Reise vielleicht von Nutzen sein. Aber Rhodri hing während des größten Teils der Fahrt mit dem Kopf über der Reling, und es gelang Bjarni nur sehr selten, ihn zum Arbeiten zu bewegen. Er war so dumm, dass er sogar in den Wind kotzte, und als die Männer sich seine Galle vom Gesicht wischten, waren sie alle dafür, ihn über Bord zu werfen, und Gudrid musste sich für sein Leben einsetzen. Sie machte ihm unmissverständlich klar, dass er in ihrer Schuld stand.
    Ihr Vater brachte ihr die Grundlagen der Navigation bei. Die Nordmänner blieben meist in Sichtweite des Landes, und er zeigte ihr primitive Karten auf Pergament aus Kalbs- oder Schafshäuten, in denen wichtige Landmarken verzeichnet waren. Um jedoch nach Britannien zu gelangen, musste man westwärts übers offene Meer fahren. Die Beobachtung der Sonne und der Sterne ermöglichte es ihnen, sich an eine schnurgerade Linie zu halten, die von Osten nach

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