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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wirklich ein neues Rom entstehen sehen, das dem wyrd ebenso trotzt wie das alte, alles aufzehrt und in Trümmer fällt? Müssen wir das alles noch einmal durchmachen? Schau dich doch um, Mann! Ihr erbaut eure Kirchen noch immer aus dem Schutt der letzten ›Feuersbrunst‹.« Aethelred schnaubte majestätisch. »Ich brauche was zu trinken.« Und er stolzierte davon, hinein in die Halle, wo seine Thegns sofort um ihn herumscharwenzelten.
    Aelfric tröstete Boniface, der erschöpft wirkte.
    Belisarius sagte leise zu Bertgils: »Euer König äußert starke Ideen, aber mit großem Zorn.«
    Bertgils nickte. »Und es empfiehlt sich, niemals zur Zielscheibe dieses Zorns zu werden, Belisarius.«

XVI
    Die Halle füllte sich. Belisarius und die anderen folgten Bertgils zu ihren Plätzen im rückwärtigen Bereich, hinter den Reihen der betrunkenen Thegns. Der König ließ sich auf seinem steinernen Thron nieder. Seine junge Gemahlin saß an seiner Seite, und seine Sprösslinge, die Edelinge – sie reichten von Kindern mit hölzernen Spielschwertern bis zu jungen Männern und Frauen – waren nahe bei ihm. Germanische Könige nahmen sich immer noch viele Frauen, trotz aller Bemühungen der Priester, solche Gepflogenheiten zu unterbinden.
    Endlich begann das Gelage zu den Klängen einer Harfe. Diener brachten heiße Fleischbrühe von den Kesseln, die über dem Feuer hingen. Andere trugen riesige Platten mit Fleisch herein. Die Thegns zerteilten geschlachtete Schweine mit ihren eigenen Messern. In ihren schweren Mänteln und Beinlingen aus Fell sahen sie wie Bären aus, die an den Kadavern zerrten.
    Die Luft füllte sich mit dem Rauch der Kerzen und Lampen, dem Ruß des Feuers und dem Gestank von geröstetem Fleisch. Riesige Schatten spielten über die Balken der hohen Decke. Der Lärm wuchs, bis man wie ein Stier brüllen musste, um sich verständlich zu machen.

    Und die Getränke flossen in Strömen. Belisarius nippte nur behutsam daran, weil er einen klaren Kopf behalten wollte. Er probierte den starken, aus zerdrückten Honigwaben vergorenen Met und einen Wein, der unverdünnt und jung und für seinen Geschmack zu aromatisch war.
    Das Bier – oder beor , wie die Germanen es nannten  – war süß und klumpig, mit einer Konsistenz wie Haferbrei. Als es aufgetragen wurde, stellte sich heraus, welchem Zweck das silberne Sieb der Königsgattin diente: Als dem König eingeschenkt wurde, siebte sie damit die Rückstände heraus und kippte sie auf den Boden zu ihren Füßen, wo die Hunde sie gierig aufleckten.
    Das Schenken begann. Belisarius beobachtete neugierig, wie die Thegns einer nach dem anderen zum Thron kamen, um eine Gabe des Königs entgegenzunehmen  – und ihm manchmal ihrerseits eine zu überreichen. Die Gaben waren kostbar, immer handelte es sich um Schmuck oder Waffen; oftmals waren es Armreifen, die man nach sehr alter Sitte um den Oberarm trug. Und der Wert der ausgetauschten Geschenke wie auch der genaue Wärmegrad der Umarmung des Königs hatte für diese dicht gedrängten Höflinge zweifellos große Bedeutung.
    Diese Germanen hatten ihre Kultur aus der Heimat mitgebracht. Es war eine primitive, auf Verwandtschaftsbeziehungen beruhende Gesellschaft; sie bestand aus kleinen Gemeinschaften, die durch Blutsbande zusammengehalten wurden, während der
König mit seinen Gefährten durch Geschenke und Treueschwüre verbunden war. Und doch hatte diese Kultur jene der kultivierten römischen Briten binnen weniger Jahrhunderte abgelöst und sich ausgebreitet, bis ihr mächtige Königreiche entsprossen waren. Offa hatte sogar mit kontinentalen Kaisern verhandelt und mit dem Papst korrespondiert.
    Aber vielleicht hatten diese Kleinkönige in ihren Holzpalästen nun auch ihren Zenit erreicht. Ihre Politik kam Belisarius fragil und anachronistisch vor, und es konnte durchaus sein, dass ihre Königreiche sich in der Zukunft als verwundbarer erwiesen, als auch nur einer der an diesem Abend hier Anwesenden es sich vorstellen konnte.
    Als das Ausmaß der allgemeinen Betrunkenheit neue Höhepunkte erreichte, begann der Gesang. Es waren germanische Lieder mit ihrer unerbittlich strengen Form; jede Zeile bestand aus zwei Hälften mit jeweils zwei betonten Silben, genau wie im Menologium, dachte Belisarius. Aber in ihrem bezwingenden Rhythmus glaubte er das Klatschen von Rudern zu hören, das Echo einer Wanderung über ein kaltes Meer.
    Bertgils beugte sich zu Belisarius und brüllte ihm ins Ohr: »Das sind alte Lieder aus den

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