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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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bleiben.
    Ein runder Po drückte sich gegen sein Bein. Er gehörte dem Sklavenmädchen – wie hieß sie gleich noch? –, das er in der vergangenen Nacht bestiegen hatte. Das Mädchen bewegte sich, was ihn ärgerte, und er verpasste ihr einen ungezielten Schlag in die Niere. Dann schob er den Haufen von Wolldecken beiseite, rollte sich von dem Strohsack herunter, schlüpfte in seine Hose und legte die Kutte an.
    Er stolperte aus der Hütte. Die Sonne hing riesengroß am Horizont über dem Meer. Wahrscheinlich kamen die Mönche jetzt gerade von der Matutin. Er seufzte, lüpfte seine Kutte und pisste an die Wand der Hütte. Sein schmerzendes Rohr sprühte ihm warme Flüssigkeit über die Beine und die bloßen Füße. Wenn er es Dom Wilfrid besorgte, war er hinterher immer wund, und dann linderte er die Schmerzen gern im angenehmeren Loch oder Mund von ein, zwei Sklavinnen.
Das reinigte ihn auch von Wilfrids Blut und Kot.
    Beim Anblick der dunstigen Sonne und der vor ihr kreisenden Meeresvögel rührte sich etwas in Elfgars Seele, wenn auch nur widerwillig. Das Komische war, während er sich in der vergangenen Nacht bis zu den Hüften in dem stöhnenden Mädchen vergraben hatte, war er mit den Gedanken ständig bei Wilfrid, dessen wolligem Arsch und den törichten Worten des alten Mannes von Liebe und Scham gewesen. Vielleicht änderten sich gerade seine Neigungen.
    Ein Schatten lief über die Wand vor ihm. Er drehte sich um, den Schwanz immer noch in der Hand.
    Der große, schwere Mann, der vor ihm aufragte, war ihm unbekannt. Er hatte ein hageres, hartes, wettergegerbtes Gesicht, strahlend blaue Augen und einen Schopf gelbgrauer, straff nach hinten gebundener Haare. In der Hand hielt er eine Axt, und er roch nach dem Meer. Hinter ihm bemerkte der Diakon undeutlich weitere Männer, und zwei Dorfbewohner schauten neugierig herüber. Der große Mann lächelte Elfgar an.
    Ohne sein Gemächt loszulassen, runzelte Elfgar die Stirn. »Ihr seid wohl Reisende, wie? Pilger, die Cuthberts Gebeine sehen wollen?«
    Der große Mann sagte etwas. Seine Sprache war fremd, aber für Elfgar klang es wie: »Mein Name ist Bjarni .«
    »Schön für dich, Bjarni. Ihr müsst den Abt im Kloster aufsuchen. Er wird euch sagen, welchen Obolus ihr entrichten müsst.«

    Bjarni schien darüber nachzudenken. Dann sagte er: »Tut mir leid .«
    »Was denn?«
    »Das .« Und er hieb Elfgar seine Axt mitten ins Gesicht.
     
    Auf dem Damm stieg die Flut. Belisarius und Macson waren, so schnell es ging, aus Bebbanburh zurückgekehrt. Nun eilten sie nach Lindisfarena; sie hatten die Stiefel ausgezogen, aber der klebrige Sand saugte an ihren bloßen Füßen, und das stetig steigende Wasser plätscherte gegen ihre Schienbeine.
    »Das ist doch lächerlich«, keuchte Macson. »Und gefährlich. Wir sollten umkehren.«
    »Wir gehen weiter.«
    Macson blieb trotzig stehen. »Die werden uns umbringen! Wozu soll das gut sein?«
    Belisarius hielt inne. Er atmete schwer. Ihm war klar, dass Macson nicht ganz unrecht hatte. Obwohl sie ihre Pferde auf dem Rückweg zu Höchstleistungen angetrieben hatten, waren diese Schiffe mit den karierten Segeln eher hier gewesen als sie. Belisarius hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie an einem flachen Sandstrand in der Nähe des Dorfes anlegten. Und er hatte die geschnitzten Steven der Schiffe gesehen, die fauchenden Drachengesichter – Drachen , genau wie in der Prophezeiung.
    Er hätte es wissen müssen, sagte sich Belisarius. Die Oströmer wussten alles über die Drachenschiffe der Nordmänner, die plündernd und raubend auf den
großen Flüssen Asiens angesegelt kamen. Er hätte die Teile des Mosaiks zusammensetzen sollen; er hätte wissen müssen, was die Worte des Menologiums bedeuteten. Dann hätte er vielleicht Leben retten können, den zerbrechlichen, mürrischen alten Boniface, ein flackerndes Licht in seiner Schriftkunst, und Aelfric, jung und so lernbegierig, dass sie sogar bereit war, ihr wahres Geschlecht zu verbergen. Und dann waren da die Bücher – nicht zuletzt seine eigenen, die noch in ihrer Holztruhe in der Klosterbibliothek lagen.
    Wie Macson immer wieder betonte, dies war nicht sein Kampf. Doch erstaunlicherweise bewahrheitete sich die Prophezeiung überall um ihn herum, ein Teppich aus Omen und Zahlen, in den er sich irgendwie verheddert hatte. Er war jetzt ein Teil von all dem, und er spürte, dass er nicht fliehen konnte, bevor diese in dunklen Worten angekündigten Ereignisse nicht stattgefunden

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