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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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dar, das vom Monat Juni handelte, in dem Johannes der Täufer geboren war und die Apostel Petrus und Paulus ein Martyrium durchlitten hatten.
    Die Pfiffe begannen schon nach ein paar Zeilen. Und als die Knochen und Brotstücke zu fliegen begannen, stand Belisarius auf, legte den Arm um den gebrechlichen Mönch und schützte ihn vor dem fettigen Hagel. »Schaff ihn hier raus«, sagte er leise zu Aelfric.
    Aelfric führte den verwirrten Boniface fort.
    Der Schlächter war wütend. »Wo ist mein kleiner Mönch?«, rief er spöttisch. »Ich will ihn singen hören!«
    »Vielleicht möchtest du lieber ein Lied aus meinem Land hören, Herr«, sagte Belisarius gewandt. Und ohne auf die Zustimmung des Königs zu warten, begann er mit dem traurigen alten Klagelied eines Römers, der am Vorabend der schrecklichen Brandschatzung Roms durch den Goten Alarich aus der Stadt geflohen war. »Laut tönten die Schreie der römischen Maiden … Selbst die Statuen auf dem Forum vergossen marmorne Tränen …« Er tat sein Bestes, den Text ins Germanische zu übersetzen; das Versmaß war schrecklich, aber er bezweifelte, dass dieses Publikum daran Anstoß nehmen würde.
    Er erzielte die erwartete Reaktion. Zuerst gab es Pfiffe und ein paar fliegende Knochen, und hier und dort rief jemand: »Holt den Mönch zurück!« Aber dann grub sich die repetitive Traurigkeit der Melodie
ins alkoholisierte Bewusstsein der Thegns. Einige von ihnen schunkelten im Rhythmus und versuchten, in den Kehrreim einzustimmen: »Rom! Rom! Wann wirst du wieder erstehn?«
    Als ein Vers auf den anderen folgte, wurden die Zuhörer unruhig. Am Ende schienen sie erleichtert zu sein, als er aufhörte und sich setzte. Die schmausende Menge wandte sich anderen Dingen zu.
    Bertgils reichte Belisarius ein Tuch, mit dem er sich das Fett vom Gesicht wischen konnte. »Das hast du gut gemacht. Für den armen alten Boniface wäre dieser Beschuss schrecklich gewesen.«
    »Ja. Und ich würde wetten, dass sich morgen früh keiner von denen auch nur daran erinnern wird, mit Knochen und Brot geworfen zu haben.«
    »Keiner außer dem Schlächter«, erwiderte Bertgils leise, »der alles sieht.«
    »Was meinst du, wann wir von hier verschwinden können?«
    Am anderen Ende der Halle ertönte lautes Gebrüll, das Klirren von fliegenden Tellern, das Splittern einer umgestürzten Bank.
    Bertgils verzog das Gesicht. »Jetzt geht es mit den Raufereien los. Dies wäre ein guter Augenblick.«
    »Es war wirklich ganz bezaubernd. Wir müssen unbedingt wiederkommen.«
    Bertgils grinste und klopfte ihm auf die Schulter.
    Als sie die Halle verließen, obwohl das Gelage noch in vollem Gange war, sickerte ein kaltes, rosafarbenes Licht widerstrebend in einen mit Wolken bestreuten
Osthimmel. Erleichtert schaute Belisarius aufs Meer und füllte seine Lungen mit sauberer, salziger Luft.
    Und er glaubte, etwas über den fernen Horizont gleiten zu sehen.
    Macson sagte: »Du hast mit dem König nicht über die Prophezeiung gesprochen.«
    »Bertgils kann selbst entscheiden, was er dem König erzählt.« Und außerdem fragte sich Belisarius, ob dieser König einen Finger rühren würde, um Mönche zu beschützen, über die er sich derart zynisch äußerte.
    »Wir müssen nicht hierbleiben, bis es geschieht, weißt du«, sagte Macson leise. »Bis zu dem Drachenangriff, wie auch immer er sich manifestiert. Dies ist nicht dein Land, dies ist nicht mein Volk.«
    »Du würdest weglaufen? Und außerdem bist du doch wegen der Prophezeiung hergekommen.«
    »Wir könnten sie einfach mitnehmen«, sagte Macson kalt. »Es wäre nicht mal Diebstahl, wenn es ihr nur bestimmt ist, vom Atem des Drachen verbrannt zu werden.«
    Belisariuslächelte. »Interessante Sophisterei. Du würdest einen guten Anwalt oder Theologen abgeben.«
    Macson funkelte ihn wütend an. »Ich habe deine Spielchen satt. Ich finde, wir sollten verschwinden und diese Narren ihrem Schicksal überlassen.«
    »Ich fürchte, dafür ist es bereits zu spät«, sagte Belisarius traurig. Und er zeigte zum östlichen Horizont, wo jetzt deutlich ein Segel zu erkennen war – nur ein Fetzen Farbe, schwarz und rot. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er zu Macson.

XVII
    Als Elfgar erwachte, sickerte das Morgenlicht bereits durch die Ritzen in den mit Lehm bestrichenen Wänden der Hütte. Er gähnte und reckte sich. Wieder einmal hatte er Kopfschmerzen, und sein Bauch war zum Bersten voll vom schmutzigen Bier der Dorfbewohner. Er sollte beim Met der Mönche

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