Eroberer
Kleidung war fast so schlicht wie die von Cynewulf, glänzte jedoch von Goldlüster. Während die Bittsteller mit ihm sprachen, zeichneten die Schreiber an seiner Seite hektisch jedes Wort auf, aber der König wurde von Hustenanfällen gepeinigt, bei denen die Schreiber innehielten; ihre Federkiele schwebten in der Luft. Kurz darauf scheuchte Alfred die Bittsteller mit einer Handbewegung weg und neigte den Kopf, als ein Priester an seiner Seite Gebete zu intonieren begann.
»Der letzte englische König«, sagte Aebbe. »Der einzige Mann, der den Dänen standhält. Und du behauptest, ich sei hier in Sicherheit, Cynewulf.«
Cynewulf bemühte sich, seine eigenen Zweifel zu unterdrücken. Alfred sah eher wie ein Gelehrter aus als wie ein Krieger, das ließ sich nicht leugnen. »Es ist Mittwinter. Um diese Zeit bleiben die Dänen immer, wo sie sind. Und es herrscht Waffenstillstand zwischen Alfred und Guthrum ...«
»Nun, zumindest ist der König fromm, genau wie du gesagt hast. Vielleicht halten seine Gebete die Nordmänner fern.«
»Für ein Mädchen, das von einer heiligen Insel stammt, bist du schrecklich zynisch.«
»Denk daran, was sie durchgemacht hat.« Arngrim war fünf Jahre älter als Cynewulf und wahrscheinlich doppelt so schwer. »Die Mönche haben das Kloster auf Lindisfarena lange vor ihrer Geburt verlassen und die Gebeine des heiligen Cuthbert mitgenommen. Ihnen hat das Christentum nicht viel geholfen, oder? Und auch du selbst musstest die Flucht ergreifen, Kleine, nicht wahr?«
Aebbes Geschichte war nichts Besonderes. Über achtzig Jahre nach dem ersten Überfall auf Lindisfarena und zwölf Jahre, nachdem die dänische Streitmacht – das »Große Heer«, wie man sie nannte – in Ostanglien gelandet war und mit ihrem zielstrebigen Wüten begonnen hatte, waren die Märkte des Landes ruiniert, der Handel verkümmert, die Klöster zerstört, die Menschen von ihren Höfen vertrieben und dem Hungertod preisgegeben. Selbst Könige waren gestorben. Von den vier großen englischen Königreichen hielt nur noch Wessex stand. England war ein Land voller Furcht – und es gab viele, viele Flüchtlinge.
»Ich kann schon auf mich aufpassen«, sagte Aebbe trotzig. »Und was Christus betrifft, so sagen viele, er habe seine schützende Hand von England genommen, denn warum sollte er uns so leiden lassen?«
»Man merkt, dass sie verwirrt ist«, warf Cynewulf hastig ein.
»Nimm’s Cynewulf nicht übel, Aebbe«, sagte Arngrim. »In unserer Familie reicht das Christentum nur eine Generation zurück. Deshalb gibt Cynewulf sich so viel Mühe damit. Selbst Alfred, so fromm er sein mag, ist ein direkter Nachfahre Cerdics, der vor vierhundert Jahren als erster Sachse in Wessex landete und seinerseits ein Nachkomme von Woden war.«
Der Ausländer, Arngrims Begleiter, ergriff zum ersten Mal das Wort. »Für einen Anhänger eures Christ-Propheten scheint der König einen erstaunlichen Hang zum Reichtum zu haben. Sein Schmuck blendet mich so, dass ich ihn kaum sehen kann.« Seine Stimme klang tief und rau, und er brachte Aebbe zum Lachen.
Cynewulf drehte sich zu ihm um. »Und wer bist du?«
Der Ausländer schien sich zusammenzunehmen; er schlug hastig die Augen nieder. »Ich habe keinen Namen außer dem meines Herrn. Ich bitte um Verzeihung.«
»Er heißt Ibn Zuhr«, sagte Arngrim. »Ich habe ihn auf dem Sklavenmarkt in Brycgstow gekauft.«
»Ein Maure«, sagte Cynewulf überrascht.
»Er ist ganz nützlich. Er kann zum Beispiel rechnen.«
»Selbst du kannst rechnen«, meinte Cynewulf trocken.
»Nicht so wie er. Er kann Summen über neunhundert ausrechnen!«
»Unmöglich«, hauchte Cynewulf.
»Offenbar nicht.«
»Warum hast du ihn hergebracht?«
Arngrim seufzte. »Alfred legt großen Wert darauf, dass seine Thegns Christen sind und lesen und schreiben können. Nun, ich kann zwar so tun, als wäre ich Christ, aber nicht, als könnte ich lesen und schreiben, und ich habe keine Zeit, es zu lernen, solange die Nordmänner im Land herumwüten. Wenn ich ihn habe, kann ich auch lesen und schreiben, zumindest durch einen Stellvertreter. Trotzdem hat er mich nicht näher an Alfred herangebracht.«
Cynewulf war fasziniert. »Hat er eine eigene Sprache? Sag etwas in deiner Sprache.«
Ibn Zuhr gab ein paar schnelle Worte von sich, eine Kette rauer Silben.
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe dir Komplimente über dein Aussehen gemacht.« Aber in den Augen des Sklaven lag ein Hauch von Spott.
»Wieso kannst du
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