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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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lang geschrieben hat. Er gehörte zum Volksstamm der Angeln, nicht wahr?«
    Das überhebliche Gehabe des Sklaven ärgerte Cynewulf. »Was spielen Namen schon für eine Rolle, Maure? Wie nennt ihr euch denn?«
    Der Sklave lächelte ihm an. »Kinder Gottes.«
    »Ibn Zuhr zufolge hält sein Volk seine Zivilisation für die am höchsten entwickelte in ganz Europa«, erklärte Arngrim. »All dieses uralte Wissen, das sie bewahrt haben, verstehst du.«

    Der Priester lächelte spöttisch. »So etwas kann man immer leicht behaupten.«
    »Aber meine Arznei hat eurem König geholfen«, betonte Ibn Zuhr.
    »Woher kommst du? Aus Afrika?«
    »Nein. Aus al-Andalus. Das liegt in Iberien.«
    »Sag mir, wieso du hier bist.«
    »Wegen der Nordmänner ...«
    Nach dem Zusammenbruch des römischen Westreichs hatten germanische Einwanderer, die Visigoten, in der ehemaligen Provinz Iberien die Macht übernommen. Sie behielten die alte römische Regierungsmaschinerie bei, und mit der Zeit hatte sich die Provinz zu einem starken, vereinigten, gotischen christlichen Staat entwickelt. Aber Afrika lag nur eine kurze Seereise entfernt im Süden. Und dort regten sich neue Kräfte.
    Nur sieben Dekaden nach dem Tod des Propheten fegten die Heere des Islam über Nordafrika hinweg und stießen mit einer Reihe vernichtender Angriffe nach Iberien vor. Es dauerte nur vier Jahre, dann war die Horde über die Halbinsel hinweggerast, hatte den fragilen gotischen Staat zertrümmert und war sogar bis nach Südfranken vorgedrungen. Die Kunde von ihrem Vormarsch hallte durch ein nervöses Europa und wurde von Beda im fernen Northumbrien festgehalten.
    In Iberien errichteten die Muslime einen neuen Staat, der schließlich die Unabhängigkeit vom Kalifat in Damaskus erlangte; er trug den Namen al-Andalus,
eine islamische Gesellschaft innerhalb Westeuropas. Bald tauschte al-Andalus Gesandte mit Konstantinopel aus.
    Dann kamen die Nordmänner. Auf ihren Raubzügen durch ganz Europa fuhren sie mit ihren Drachenschiffen die großen Flüsse Iberiens entlang, um die Städte von al-Andalus anzugreifen, so wie sie es auch anderswo getan hatten. Die Emire aber, stärker und besser organisiert als die nachrömischen Monarchien Europas, wehrten sie ab.
    Die Wikinger hörten jedoch nicht auf, sie zu bedrängen. Vor sechzehn Jahren, so Ibn Zuhr, hatten zwei Abenteurer namens Björn Eisenseite und Hasting einen kühnen Raubzug entlang der Westküste bis ins Mittelmeer angeführt. Letztendlich waren sie darauf aus gewesen, die Schätze Roms in ihren Besitz zu bringen. Das gelang ihnen zwar nicht, aber sie kamen mit einer Fracht von Schätzen und Gefangenen aus al-Andalus zurück – darunter Ibn Zuhr, damals ein junger Mann von zwanzig Jahren aus einer Stadt namens Granada. Er war in Irland in die Sklaverei verkauft worden und dann, als er seine Fähigkeiten als Arzneibereiter unter Beweis gestellt hatte, durch eine Abfolge neuer Besitzer zu immer höheren Preisen weiterverkauft worden, bis er schließlich auf einem Markt in Brycgstow gelandet war, wo er Arngrim ins Auge gefallen war.
    Cynewulf schüttelte den Kopf. »Von Lindisfarena bis nach Iberien – die Nordmänner bringen unser Leben wirklich gründlich durcheinander.«

    Ein Geräusch wie ferner Donner ertönte; durch die Mauern und den Lärm in der Halle drang es nur undeutlich an ihr Ohr. Arngrim drehte sich stirnrunzelnd zur Tür um.
    Cynewulf fragte: »Und betest du zu Gott, Maure?«
    »Mohammed war der Prophet des einen Gottes«, intonierte Ibn Zuhr.
    »Und was ist mit Jesus?«
    Arngrim grinste. »Für sie ist er nur einer von vielen Propheten.«
    »Dann ist dieser Mann ein Heide«, sagte Cynewulf brüsk.
    »Nein, keineswegs«, entgegnete Arngrim. »Ich bin zwar ebenso wenig ein Theologe wie ein Gelehrter, aber mir scheint, dass die Religion dieses Burschen auf einem Propheten beruht, der nach Christus kam. Na, werdet ihr Priester daraus irgendwie schlau?«
    Cynewulf schüttelte den Kopf. »Dies ist eine schwere Zeit für das Christentum. Das sagt der Papst. Wir sitzen zwischen den Heiden des Nordens und diesen Ungläubigen aus dem Süden fest. Wollt ihr uns zerquetschen, Maure?«
    »Das ist Sache der Emire«, sagte Ibn Zuhr sanft, »aber nicht meine.«
    »Wie steht’s mit Prophezeiungen?«, fragte Aebbe. »Kann euer Gott in die Vergangenheit und die Zukunft blicken, sie vielleicht sogar verändern?«
    »Allah ist unbekannt und unerkennbar.«
    Was keine und zugleich eine sehr tief schürfende Antwort war,

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