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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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verletzte Mädchen mir ihren prophetischen Kalender vorgetragen hat. Die Prophezeiung hat mir unseren Platz in der Geschichte ins Bewusstsein gerufen – denn dies ist eine Zeit, von der die Menschen bis in alle Ewigkeit sprechen werden, Arngrim, ganz gleich, was aus uns wird. Was sind wir, wir Engländer? Vor vierhundert Jahren waren wir wie diese Nordmänner heute. Verständnislos haben wir auf die mächtigen Ruinen der Römer geblickt. Jetzt brechen die Nordmänner in unser Leben ein, analphabetische, heidnische Wilde, die so sind wie wir damals . Den Priestern zufolge erinnern Heiden sich an die Hölle. Nun, die Nordmänner sind unsere eigene verschüttete, verlorene Erinnerung an die Hölle. Um sie zu bekämpfen, müssen wir auf unser wahres Ich zurückgreifen, auf unsere Höllenseele.« Er drückte Arngrims Schulter fester. »Und darum strecke ich die Hand nach dir aus. Ich brauche dich im Schildwall, Arngrim, in dessen Zentrum.«
    »Ich werde dort sein, mein König.«

    »Aber, Arngrim, merk dir eins – du musst nachdenken . Denn wir werden unseren Sieg mit dem Kopf erringen.« Alfred hielt seinen Blick noch einen Moment lang fest, dann ließ er ihn los und ging weiter zum nächsten Mann. Die heidnische Zeremonie ging weiter. Die Ziege wurde nach vorn geschleift und geschlachtet, und ihr Blut befleckte ein Dutzend Schwerter, bevor ihr Kadaver dem des Schweins folgte und in der Grube landete.
    Arngrim grinste Cynewulf mit blutbeschmierter Stirn an. »Ein bisschen aufregender als eure psalmodierenden Mönche, stimmt’s, Priester?«
    »Es gehört sich nicht, mich in einem solchen Augenblick aufzuziehen, Vetter.«
    »Mag sein. Wir alle haben unsere Methoden, uns auf den Tod vorzubereiten.« Arngrimhob sein Schwert und küsste die blutige Klinge. »Ich habe Woden geschworen, ihm Eisenseiten zu geben, wenn er morgen mein Leben verschont – ich werde die Klinge zerbrechen und sie eigenhändig in den Fluss werfen. Und heute Nacht muss ich ein noch größeres Opfer bringen.« Er machte eine Handbewegung zur Grube. »Eine Gans, ein Hund, ein Schaf und eine Ziege, ein Schwein, ein Eber, ein Stier, ein Hengst – und ein Mensch. Damit müssen wir heute Nacht die Grube füttern. Und mir fällt es zu, das Pferd zu liefern.«
    Er drehte sich um. Ibn Zuhr, der in der Nähe stand, streichelte Stark-und-Flink den Hals. Das Pferd scharrte mit den Hufen und schüttelte den Kopf, beunruhigt vom Gestank von Blut und Feuer.

    Cynewulf verschlug es den Atem. »Das kann nicht dein Ernst sein. Du liebst dieses Pferd.«
    »Mehr als die meisten meiner Angehörigen. Aber es hat seine Aufgabe bereits erfüllt, indem es mich hierher gebracht hat; morgen werde ich es nicht brauchen. Oder«, sagte er nachdenklich, »ich könnte mich meiner Verpflichtung Woden gegenüber entledigen, indem ich ihm einen Menschen gebe.« Und er ließ sein Schwert zu Ibn Zuhr schnellen und drückte dem Mauren die Spitze der Klinge unters Kinn. »Wir haben zu diesem Zweck einen Dänen am Leben erhalten, aber ein Maure tut’s auch. So kann ich mein Pferd behalten und werde einen Mund los, der vor Königen einfach nicht stillhalten will. Was meinst du, Vetter?«
    Cynewulf wagte es nicht, etwas zu sagen. Mit verblüffender Gelassenheit fuhr Ibn Zuhr fort, das unruhige Pferd zu streicheln. Arngrim wandte sich mit einem Lachen ab, senkte das Schwert, und der Augenblick war vorbei.
    Arngrim nahm Ibn Zuhr die Zügel aus der Hand, ohne den Mauren zu beachten. Er tätschelte Stark-und-Flink das Maul, und das edle alte Pferd senkte den Kopf. »Komm, Flink. Du musst mir noch einen letzten Dienst erweisen.« Er führte das Pferd zur Grube. Cynewulf sah, wie zwei stämmige Engländer einen eingeschüchterten, übel zugerichteten Dänen nach vorn schleiften.
    Während all dem hatte Ibn Zuhr kein einziges Wort gesagt. Aber Cynewulf sah, dass seine Augen brannten.

XV
    Im kalten Licht der Morgendämmerung, unter einem wolkenlosen Himmel, marschierte das Heer von Wessex zur Spitze des Kamms über Ethandune. Die Dänen  – so selbstgefällig, wie Arngrim gesagt hatte – versuchten nicht einmal, die Engländer an der Einnahme des höher gelegenen Geländes zu hindern.
    Oben auf dem Kamm ordneten die Engländer ihre Reihen. Ganz hinten standen der König und seine Hausgefährten unter dem flatternden Drachenbanner von Wessex, dann kamen die Reservetruppen – und dann die vorderste Linie, die zu Beginn der Schlacht den Schildwall bilden würde.
    Arngrim drängte sich

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