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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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zwanzig Generationen abgerungen. Weißt du, ich habe die Nase voll von diesen Dänen.«
    Viele an Alfreds Hof waren der Meinung, dass es an der Zeit war, den Kampf zu den Dänen zu tragen. Aber es gab heftige Diskussionen über den richtigen
Zeitpunkt zum Handeln. Arngrim gehörte zu denen, die Alfred drängten, so früh wie möglich loszuschlagen. Im Sommer würden weitere Dänen übers Meer kommen, und noch ehe das geschah, konnte sich das Große Heer nach Mercien zurückziehen, um seine Pferde auf Frühlingswiesen grasen zu lassen. Je früher Alfred zuschlug, desto besser.
    Trotz dieser Ratschläge wartete Alfred in Aethelingaig, während sich die Aprilwärme festsetzte. Die Waffenschmiede waren froh über die zusätzliche Zeit, aber die Krieger wurden in zunehmendem Maße unruhig.
    Cynewulf dachte daran, dass in der entscheidenden sechsten Strophe des Menologiums von einem Krieg im Monat Mai die Rede gewesen war. Vielleicht orientierte sich Alfred an den Voraussagen der Prophezeiung. Aber wahrscheinlich war es nur einer der Stränge, aus denen sich das Netz der Entscheidungsfindung im Kopf dieses schlauen, alles stets gründlich durchdenkenden Herrschers zusammensetzte.
    Am Pfingstsonntag, Mitte Mai, verließ Alfred Aethelingaig schließlich mit einem Dutzend seiner Thegns und ihrem Gefolge. Cynewulf ritt mit den anderen Priestern. Arngrim saß auf Stark-und-Flink; er trug Eisenseiten auf dem Rücken und hatte sein kurzes Stichschwert und seine Axt im Gürtel.
    Nur ein paar Stunden zu Pferde von der Stellung der Dänen entfernt, schlug Alfred ein neues Nachtlager auf. Im Zentrum des Lagers stand eine riesige alte Eiche, unter deren ausladendem Geäst der König seinen
Gabenthron aufstellte. Er mochte ein christlicher König sein, aber er kannte den tief verankerten alten Symbolismus seiner Leute, und während des ganzen Tages sah Cynewulf, wie Krieger den Baum tätschelten, damit er ihnen Glück brachte, und leise Gebete zu uralten Gottheiten sprachen.
    Am Abend des Pfingstsonntags bat Alfred endlich die Ealdormen, die großen Landbesitzer aus dem Norden, Süden, Osten und Westen, mit ihrem Fyrd-Aufgebot zu ihm zu kommen. Am nächsten Morgen saß er unter der Eiche, während das Drachenbanner von Wessex über seinem Kopf flatterte, und wartete.
    Cynewulf wusste, dass die ganze Zukunft von der Reaktion der Grundherren und der Bevölkerung auf Alfreds Aufruf abhing. Alfred musste den Dänen in diesem Jahr entgegentreten, komme, was wolle; selbst wenn er einen weiteren Winter überstand, würde seine Glaubwürdigkeit als Kriegsführer sonst auf der Strecke bleiben. Aber viele englische Könige waren den Nordmännern schon unterlegen. Wenn die Fyrd nicht auf seinen Aufruf reagierte, wenn die Bauern nicht kamen, um für dieses letzte kleine Stück England zu kämpfen, konnte sie zweifellos nie wieder einberufen werden.
    Als der Morgen in den Vormittag überging und der Horizont leer blieb, stieg die Spannung in Alfreds Lager unaufhaltsam, bis selbst Cynewulf es nicht mehr ertragen konnte. Aber der König saß auf seinem Thron und besprach sich mit seinen Beratern, betete mit seinen Priestern und las seine kostbaren Bücher.

    Erst als die Mittagszeit um war, ertönten die ersten Rufe der Wachposten. »Sie kommen! Sie kommen!«
    Cynewulf lief hin, um es mit eigenen Augen zu sehen. Dies waren keine römischen Legionen. Dies war die Fyrd, ein Bauernheer, und sie kamen in Gruppen von drei, vier oder fünf Mann und trotteten durch die Landschaft, als wären sie auf dem Weg zu einem Frühlingsmarkt. Sie trugen rostige Waffen, die seit der Zeit ihrer Großväter weitergegeben worden waren, und manche hatten nicht mehr als Mistgabeln und Knüppel. Viele der Männer waren verhärmt und halb verhungert, sogar die Adligen. Und dennoch kamen sie, dem Ruf des Königs folgend, von Norden, Süden und Westen, von Sumorsaete, Wiltunscir, Hamptonscir  – nur der Osten, wo die Kontrolle der Dänen zu stark war, hatte nicht reagiert.
    Alfred wartete auf seinem Thron. Sein langes Gesicht war so gelassen wie immer.
    Am Ende waren über tausend Mann seinem Ruf gefolgt.
    Alfred stieg auf die Sitzfläche seines Throns, damit jeder ihn und seine glitzernde Krone sehen konnte. Die vor ihm aufgereihten Bauern in ihren schmutzigen, erdfarbenen Kleidern verstummten; ihre Gesichter waren ihm zugewandt wie Blumen der Sonne.
    Alfred sprach so laut, dass auch noch der letzte Mann ihn hören konnte. Er sagte einfach nur: »Hier endet es.«
    Die

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