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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Jahreszeit nahte, die langen, warmen Monate des Krieges. Selbst Cynewulf spürte, wie seine Säfte stiegen. Aber er betete, dass sich diese kriegerische Erregung aus seinem Blut verbannen ließ, denn im Land herrschte große Not.
    Die von Alfred eingeschlossenen Dänen stahlen Saatgut und schlachteten trächtige Mutterschafe und Kühe. Alle Bauern lebten selbst in den besten
Zeiten hart am Rand des Existenzminimums, und in diesem Frühling sorgte der Hunger für eingesunkene Augen. Die Priester erließen dem Volk den Zehnten, und beim Osterfest, dem einzigen Tag im Jahr, an dem die Gemeinde mit den Priestern das Brot und den Wein der Kommunion teilen durfte, trat der Hunger deutlicher zutage als der Glaube. Und aus dem ganzen Land kamen Bittsteller nach Aethelingaig, hungernde Bauern, die niederknieten, um ihren Kopf in die Hände ihrer Herren zu legen und sich für ein wenig Nahrung als Fronpflichtige zur Verfügung zu stellen.
    Doch trotz der Anspannung, trotz des Elends war es eine schöne Jahreszeit. Die Farben der neuen Sumpfblumen, das Krächzen der sich paarenden Frösche, der Gesang der nistenden Vögel erschienen Cynewulf allesamt lebhafter als zuvor. Wenn der Krieg in diesem Jahr nämlich einen schlechten Ausgang nahm, war es so gut wie sicher, dass er, Cynewulf, das Zentrum des ganzen Universums, nie wieder einen Frühling erleben würde.
    Während die Wochen ins Land gingen, entfaltete sich unerbittlich die Logik des Krieges. Unerwartete Neuigkeiten trafen ein: Ealdorman Odda hatte das zweite große dänische Heer auseinandergetrieben. Dessen Anführer Ubba war zusammen mit achthundert seiner Männer ums Leben gekommen, und die übrigen waren zurück zu ihren Schiffen geflohen. Für die Engländer war es die erste richtig gute Nachricht seit der verheerenden Zwölfnächte-Niederlage.

    Trotzdem musste Alfred es noch mit Guthrum aufnehmen.
    Und nun rührte sich der Drache. Guthrums Großes Heer verließ die eroberte Festung bei Cippanhamm. Ohne auf Widerstand zu stoßen, zog es ungezügelt durchs Land, ängstlich beobachtet von den Bauern von Wessex, und nahm sich nach Gutdünken Nahrung, Pferde, Sklaven und Frauen. Nach einigen Wochen ließ es sich bei einem Ort namens Ethandune erneut nieder.
    Cynewulf, der selber keine Ruhe fand, begleitete Arngrim auf einem von Alfred angeordneten Erkundungsgang. Arngrim kannte das Land von Jagdausflügen als junger Mann, und er führte Cynewulf selbstbewusst auf Fährten über hochgelegenes Moorland. Während sie höher hinaufstiegen, öffnete sich der Blick und enthüllte wogendes, bewaldetes Land, das sich in Richtung Cippanhamm erstreckte.
    Das dänische Lager befand sich am Fuß eines steilen Kamms. Cynewulf sah, dass es hier Überbleibsel einer langen Besetzung gab: die gefurchten Gräben eines verlassenen Lagers, vielleicht Jahrhunderte alt, und das stümperhaft in einen Hang eingearbeitete Zeichen eines Pferdes.
    Im Stechginster kauernd, hatten sie einen klaren Blick auf die von den Dänen eingenommene Siedlung. Es war ein weiteres eingefriedetes Krongut, kleiner als Cippanhamm, aber mit Befestigungen aus Erdreich und einer Halle. Die Feuer des Großen Heeres schickten Rauchfäden in die Luft, und die Pferde – allesamt
von den Engländern gestohlen – waren in einer großen Koppel eingesperrt.
    Wie die Engländer bereiteten sich auch die Dänen auf den Krieg vor. Cynewulf sah Männer, die miteinander rangen und Scheinkämpfe mit Schwertern und Schilden veranstalteten. Er hörte Gelächter und Lieder. Hier war nichts von der nervösen Energie, der entschlossenen Anspannung in Alfreds Lager zu spüren. Für die Engländer stand alles auf dem Spiel – ihr Zuhause, ihre Familien, ihre Religion, ihr Leben. Aber für die Dänen war dies ein Abenteuer, ein blutiges Spiel – das beste Spiel der Welt.
    »Sie sind selbstgefällig«, sagte Arngrim leise. »Das ist ein praktisches Lager, aber es hat den Nachteil, dass es zu ebener Erde liegt. Und Alfreds Strategie hat sich ausgezahlt. Wir haben sie den ganzen Winter über eingeschlossen; sie bekommen keine Verstärkung, und ihnen gehen die Waffen und Vorräte aus.«
    »Und dennoch lachen sie.«
    »Dennoch lachen sie. Sie glauben, sie werden uns schlagen, komme, was wolle.« Arngrim war ein Klotz aus Zorn und angespannten Muskeln, als er auf die Szenerie hinunterschaute. »Ich kenne dieses Land. Ich habe hier mit den Edelingen gejagt. Das ist unser Land, wir haben es den Briten mit dem Blut und der Plackerei von

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