Eroberer
»Egil!«
Der Däne drehte sich um. Aber dann trennte sie die Strömung der Schlacht, und Arngrim musste mit einem weiteren jungen Mann fertig werden, der sich mit blitzendem Schwert todessüchtig auf ihn warf, und dann mit dem nächsten und übernächsten.
XVI
Im Lager des Königs beteten Priester, und Frauen warteten nervös. Dieser Maimontag war ein friedvoller Tag. Die Sonne schien warm auf Cynewulfs Gesicht. In dem aufgewühlten Schlamm des Lagerbodens mühten sich grüne Grasschösslinge, inmitten der Abdrücke von Füßen und Hufen Luft und Licht zu finden.
Von der Schlacht war nichts zu hören. Irgendwie kam es Cynewulf falsch vor, dass Menschen einander derart geräuschlos abschlachten sollten; es müsste einen imposanteren Klang geben, ein donnerndes Krachen vielleicht, und Blitze am Himmel.
Schließlich siegte die Neugier über seine Vorsicht.
Es war nicht schwer, aus dem Lager zu schlüpfen. Aber er hatte erst ein Dutzend Schritte zurückgelegt, als Ibn Zuhr ihn einholte. »Arngrim hat mir befohlen, dich im Auge zu behalten.«
»Ich traue dir nicht, Maure.«
»Ich dir auch nicht. Wir sind also quitt.«
Cynewulf musterte ihn. »Dann komm.«
Er nahm denselben Weg wie an dem Tag, als er mit Arngrim auf Erkundung gegangen war, und begab sich zu dem hochgelegenen Gelände, von wo aus sie das dänische Lager beobachtet hatten.
Von hier aus konnte Cynewulf die Schlacht wie auf einer Schautafel sehen. Da war der Trupp des Königs – er glaubte, Alfred selbst zu erkennen, den winzigen Farbklecks seiner juwelenbesetzten Krone, sein flatterndes Drachenbanner. Um ihn herum wimmelten seine Reservetruppen, meistenteils Fyrd-Männer, eine wirre, homogene Masse. Auf der anderen Seite des Schlachtfelds befand sich eine spiegelbildliche Truppe, bei der es sich um Guthrum und dessen Gefährten handeln musste.
Und zwischen diesen beiden Befehlspolen war die Kampffront. Cynewulf konnte nur eine zusammengedrängte Masse von Hunderten von Männern unter funkelnden Schwertern und Äxten ausmachen. Im Zentrum der Menge war so etwas wie blutiger Schaum, eine leuchtend karmesinrote Linie, wo die Schwerter zustachen und die Äxte herabsausten. Cynewulf staunte über die leuchtende Farbe und die Menge des Blutes, über die beinahe ordentliche Art und Weise, wie Glieder abgetrennt und Rümpfe aufgeschlitzt wurden.
Heiden fühlten sich stark von Grenzorten angezogen, von Flussufern und Meeresoberflächen, wo eine Welt eine andere berührte. Dieser Zusammenprall von Schildwällen war genau ein solcher Ort, eine Grenze zwischen Leben und Tod, wo atmende Männer zu leblosem Brei zerschnitten und zerhackt wurden.
Ibn Zuhr war analytisch und abschätzig. »Nur ein paar hundert Mann auf jeder Seite. Bei den großen Schlachten der Vergangenheit wäre das nicht mehr als
ein Scharmützel gewesen. Die Caesaren haben mehrere zehntausend Mann starke Heere auf diese Insel gebracht. Und es gibt keine andere Taktik, als vorwärtszudrängen und vorzustoßen. Vor tausend Jahren hat Alexander der Große eine Kavallerie eingesetzt, um …«
Cynewulf wusste nicht, was eine Kavallerie war, und es interessierte ihn auch nicht. »Halt den Mund«, knurrte er.
Der Zorn des Priesters schien den Mauren zu erschrecken. Aber er sagte: »Wir haben alles gesehen, was wir sehen können. Wir sollten gehen.«
Cynewulf brachte es nicht über sich, den Mann anzublicken. Aber er nickte, und sie zogen sich beide zurück.
XVII
Sich hangabwärts statt hangaufwärts voranzukämpfen, war ein kleiner Vorteil, der allerdings im Laufe des Tages größer wurde, als Männer fielen und die Überlebenden in zunehmendem Maße erschöpft und von Hieben und Verletzungen geschwächt waren. Und so drängten die Engländer die Dänen stetig hangabwärts zurück, hinunter zu ihrem Lager. Der skjaldborg war intakt, gab jedoch Schritt für Schritt nach.
Aber der Schildwall war eine Mühle, die Menschen zermahlte. Während Krieger fielen, führte ihr jede Seite immer neue Körper zu, lebendige Menschen, die zu Leichen verarbeitet werden sollten. Die Engländer waren den Dänen zwar zahlenmäßig überlegen, aber sobald die Besten des englischen Heeres erst einmal verbraucht waren, blieben nur noch die weniger versierten Fyrd-Leute übrig. Wenn der skjaldborg nicht bald zerbrach, erkannte Arngrim, würden die Engländer den Kampf verlieren, indem sie einfach verbluteten.
Und wie konnte man ihn zerbrechen? Während er hieb und stach und stieß, während er spürte, wie
Weitere Kostenlose Bücher