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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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du ein recht hitziges Gemüt, mein Junge, nicht wahr? Und deine Tonsur ist auch ein wenig stümperhaft, damit solltest du mehr Sorgfalt walten lassen. Die Wahrheit ist – obwohl es selbst meinen Thegns schwer fällt, das zu akzeptieren –, wir haben die Dänen bei Ethandune nicht besiegt. Wir haben die Überreste eines einzigen Heeres geschlagen. Hätte ich die Dänen nach Eoforwic verfolgt, hätte ich mir einigen Ruhm errungen, wäre aber Gefahr gelaufen, beim nächsten Angriff alles zu verlieren. Stattdessen habe ich meine Energien darauf verwendet, England uneinnehmbar zu machen.«
    »Nicht England«, sagte Saberht trotz Cynewulfs finsterer Blicke. »Die Hälfte Englands, die von Wessex beherrscht wird. Und was ist mit dem Rest?«
    »Ich habe Söhne«, sagte Alfred. »Die sollen dereinst auch noch etwas zu tun haben. Und ich muss zunächst einmal meine Bücher schreiben.«
    Alfred, dessen Leben vom Krieg gegen die Dänen beherrscht worden war, hatte stets höhere Ziele verfolgt. So entwickelte er gerade einen schriftlich fixierten Gesetzeskodex auf Grundlage der einschlägigen Bestimmungen und Praktiken der alten englischen Königreiche  – ein vom Beispiel des oströmischen Kaisers
Justinian inspiriertes Vorhaben. Und um sein Land wieder zu alphabetisieren, ließ er Bücher aus dem Lateinischen ins Englische übersetzen. Begonnen hatte er mit seinem Lieblingsphilosophen Boethius und mit historischen Darstellungen, darunter das berühmte Werk von Beda.
    »Ich möchte ein England hinterlassen, das auf sichereren Fundamenten wiederaufgebaut ist«, sagte er. »Ein England, vereinigt unter Gott und einem gerechten Gesetz. Ein England, in dem das Wort des Königs in jeder Grafschaf, jeder Hundertschaft, jedes Mannes Heim gilt. Ein England mit einer gut organisierten und ausgerüsteten Fyrd, die jederzeit einberufen werden kann, um jeden Angreifer abzuwehren. Ein England, in dem ein freier Mann das Wort Gottes in seiner eigenen Sprache lesen kann … Man muss weit vorausblicken.«
    »Und niemand blickt weiter voraus als du, mein König«, sagte Cynewulf.
    »Wie alle Könige bin ich ein Narr«, warnte ihn Alfred, »aber keiner, der für Schmeicheleien anfällig ist.«
    »Es war ehrlich gemeint.«
    »Aber was ist mit dir, Cynewulf? Immer noch Priester, in deinem Alter? Habe ich dir nicht ein Bistum angeboten?«
    »Doch, und damit hast du mir eine große Ehre erwiesen. Aber das war nichts für mich. Nach Ethandune war mein Bedarf an Geschichte gedeckt. Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass ich Gottes Willen am
besten dienen kann, indem ich ein einfacher Priester bleibe.«
    »Und indem du Seelen an Christus bindest.« Alfred nickte. »Weißt du, wir sind uns sehr ähnlich, du und ich. Wir denken stets langfristig. Was ist denn aus deiner Begleiterin geworden, dem Mädchen mit dem Menologium?«
    »Aebbe? Sie ist längst fort. Nach dem, was die Dänen mit ihr gemacht hatten, konnte sie keine Kinder mehr bekommen, haben ihr die Ärzte gesagt. Nun, sie eignete sich nicht fürs Kloster. Also ist sie weggegangen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört.«
    »Damals sind viele Grausamkeiten begangen worden«, sagte Alfred. »Man muss in Ordnung bringen, was man in Ordnung bringen kann, und alles andere vergessen.« Er warf seinen Schreibern, die geduldig mit weiteren Dokumenten warteten, einen Blick zu.
    Cynewulf wusste, dass es an der Zeit war zu gehen. Er stand auf und zog Saberht hoch. »Herr, darf ich noch eine Frage stellen? Die Prophezeiung. Hat sie dich in jenen Tagen wirklich bei deinen Entscheidungen geleitet?«
    Alfred strich sich über das lange Kinn, das nun von grauen Stoppeln übersät war. »Ich weiß es nicht, Priester. Das ist die Wahrheit. Die Prophezeiung war und ist ein Aspekt in meinen Überlegungen – aber das ist Beda auch, ebenso wie das Leben der Caesaren, und über allem steht das Wort Gottes.« Er lächelte. »Doch wenn es die Aufgabe unserer Generation war, einen Winkel Englands zu retten, dann haben wir Erfolg
gehabt, nicht wahr? Meerumspannende Imperien müssen wir einer anderen Zeit überlassen.«
    »Hast du das Menologium noch?«
    »Meine Schreiber haben Abschriften angefertigt. In den verbliebenen Strophen geht es um die ferne Zukunft, weißt du – viele deiner Großen Jahre, Hunderte von Monaten. Es wird Jahrhunderte dauern, bis die restlichen darin vorhergesagten Ereignisse eintreten, obwohl niemand an meinem Hof gut genug Zahlen addieren kann, um mir genau zu sagen, wie lange. Und

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