Eroberer
Stein zu schützen?«
»Ja, Pater. Ich meine …«
»Schon gut. Wir sprechen bei deiner Beichte darüber. Jetzt beenden wir erst einmal unsere Reise, und ich will keine weiteren abergläubischen Zuckungen sehen.«
»Nein, Pater.«
Seite an Seite ritten der Priester und der Novize von der Anhöhe zu Lundens Toren hinab.
XX
Cynewulf und Saberht nahmen vorsichtig auf einer Metbank zu Füßen des Königs Platz. Es war nicht das erste Mal, dass Alfred Cynewulf warten ließ, während er sich zusammen mit seinen Schreibern den Regierungsgeschäften widmete.
Die Königshalle war nicht besonders eindrucksvoll. Wie viele der neuen, von mächtigeren Ruinen überschatteten Gebäude von Lundenburh war sie eine schlichte Konstruktion aus Eichenpfosten, so neu, dass man noch den trocknenden Lehm der Wände riechen konnte. Aber dank ihres Bodens aus wiederverwendeten römischen Dachziegeln und des Feuers, das in der großen, zentralen Herdstelle brannte, war sie warm und hell erleuchtet, und die Wände waren mit Wandbehängen sowie erhabenen silbernen und goldenen Verzierungen geschmückt.
Alfred selbst saß auf einem schönen Gabenthron, der aussah, als wäre er aus einem einzigen, massiven Stamm geschnitzt. Er trug dieselbe Krone, die er an jenem Tag bei Ethandune auf dem Feld getragen hatte. Auch seine Neigung zum Prunk war ihm erhalten geblieben; seine in sattem Purpurrot leuchtende Tunika schien aus byzantinischer Seide gefertigt zu sein. Flankiert
von Schreibern, arbeitete er sich durch einen Berg von Papieren, unterzeichnete einige, fügte hie und da mit einem Federkiel, der mit einem schönen Juwel geschmückt war, hastig die ein oder andere Zeile hinzu. Aber Alfreds Haut war bleich, sein hochgewachsener Körper wirkte skelettartig, und er hielt sich gewohnheitsmäßig ein Taschentuch vor den Mund. Dennoch arbeitete er pausenlos. Die Jahre hatten einen viel höheren Tribut von Alfred gefordert als von Cynewulf, der sich jetzt für sein Selbstmitleid schämte.
Eine von Alfreds berühmten Kerzenuhren brannte auf einem Tisch. Es war eine Reihe von sechs Kerzen mit jeweils vier Linien zur Kennzeichnung der Stunden. Alle Kerzen waren durch Dochtstränge miteinander verbunden, sodass die nächste angezündet wurde, wenn die vorherige herunterbrannte. Dies war eine vom König selbst erfundene Methode der Zeitmessung ohne Bezug zur Sonne. Dabei legte Alfred wie in allen Dingen Wert auf Ordnung, Kontrolle und Aufzeichnungen.
Schließlich scheuchte Alfred seine Schreiber weg wie eine Schar Gänse. »Es freut mich, dich zu sehen, Priester. Ich lasse meine Hausgefährten nach Veteranen jener Tage von Aethelingaig und Ethandune Ausschau halten.«
»Ich würde mich nicht gerade als Veteranen bezeichnen …«
»Du hast deinen Teil beigetragen, Cynewulf. Du und deine rätselhafte Prophezeiung. Und hast du immer noch deine Belohnung?«
Cynewulf hob den Arm, sodass der silberne Reif zum Vorschein kam. Saberht sperrte Mund und Nase auf. Er hatte nicht gewusst, dass dieser kraftlose alte Priester solch einen Reif besaß, ein Geschenk des Königs.
»Es gefällt mir, die Überlebenden von damals zu sehen«, sagte Alfred, »damit ich die Erinnerung an die Gefallenen auffrischen kann. Wie zum Beispiel an deinen Vetter Arngrim. Seine Männer haben ihm ein Schiffsbegräbnis zuteil werden lassen, wie du weißt. Auf einem Kahn, den wir den Dänen abgenommen hatten.«
»Ja. Arngrim hat als Heide gelebt und ist als Heide gestorben, und weder ich noch ein anderer Priester konnte etwas daran ändern.«
Alfred lachte, aber es war ein rauer Laut, der in ein Husten mündete. »Damals waren wir froh darüber. Aber es ist eine Ironie des Schicksals, dass ich meinen alten Gegner Guthrum häufiger sehe als diejenigen, die zusammen mit mir gegen ihn gekämpft haben. Wir beten miteinander, weißt du. Wir singen sogar Psalmen – obwohl Arngrim im Vergleich zu ihm wie der Erzkantor klang.«
»Freut mich, dass es beim dänischen König mit dem Christentum geklappt hat.«
Alfred lächelte. »Ist Zynismus nicht ein Sünde, Priester?«
»Da muss ich meinen Bischof fragen.«
»Herr«, platzte Saberht heraus. »Jedermann fragt sich, weshalb du dich überhaupt mit den Dänen abgibst.
Bei Ethandune hast du sie in die Flucht geschlagen. Warum überlässt du ihnen die Hälfte des Landes? Warum treibst du sie nicht einfach zurück ins Meer?«
Cynewulf wollte sich entschuldigen, aber Alfred hob die Hand. »Für einen Angehörigen der Geistlichkeit hast
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