EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
zu tun, als wäre ich wahnsinnig verliebt.“
„Derartig einfach kann es nicht sein“, widersprach Gaynor misstrauisch. „Das ist es nie! Warst du überhaupt schon mal wahnsinnig verliebt? In Steve bestimmt nicht – sonst hättest du nicht auf getrennte Zimmer bestanden.“
Laura errötete. „Ich dachte, ich wäre in ihn verliebt – oder könnte ihn mit der Zeit lieben lernen. Wir kannten uns doch erst zwei Monate. Das genügt nicht, um sich auf einen Mann so weit einzulassen.“
„Nicht jede Frau würde dir zustimmen“, kommentierte Gaynor trocken.
Kurz hielt Laura beim Kofferpacken inne und seufzte. „Ich weiß, ich bin sozusagen ein lebendes Fossil: Mit einem Mann möchte ich nur dann schlafen, wenn wir uns gegenseitig lieben, respektieren und eine gemeinsame Zukunft planen – nicht bloß deshalb, weil Doppelzimmer günstiger sind als Einzelzimmer.“
„Welche Art Zimmer bietet dir dieser Paolo Vicente?“
„Er ist sehr anständig“, versicherte Laura und stopfte ihren Badeanzug in den Koffer. „Wir werden mit seiner Mutter in deren Landhaus wohnen. Sie scheint ein richtiger Drachen zu sein. Paolo meint, sie wird mich nachts vielleicht einsperren.“
„Sie hat keine Ahnung, dass du und ihr Sohn praktisch völlig Fremde seid?“
„Natürlich nicht, sonst hätte es ja keinen Sinn. Mit allen Mitteln versucht sie, ihn zur Verlobung mit einem Mädchen zu drängen, das er schon sein Leben lang kennt und das eher eine jüngere Schwester für ihn ist als eine zukünftige Ehefrau. Ich soll sozusagen seine Unabhängigkeitserklärung sein. Er will seiner Mutter zeigen, dass er sein Leben selbst bestimmt und sich seine Zukünftige allein aussucht.“
„Möchtest du wirklich zwischen die Fronten zweier Krieg führender Parteien geraten, Laura?“
„Keine Sorge! Paolo meint, im schlimmsten Fall behandelt seine Mutter mich mit eisiger Höflichkeit. Außerdem hat er mir versprochen, dass ich mich nicht viel mit ihr abgeben muss. Er will mich so oft wie möglich ausführen.“ Laura schwieg kurz und fügte dann nachdenklich hinzu: „Es könnte sogar Spaß machen.“
„Immer die Optimistin!“, murmelte Gaynor. „Wie bist du überhaupt an diesen Typ geraten?“
„Paolo arbeitet für die Arleschi Bank. Vor einigen Wochen habe ich ihn im Rahmen unserer PR-Kampagne flüchtig kennengelernt, und vor vierzehn Tagen kam er in die Bar.“ Wieder seufzte Laura. „Ich hatte mich gerade mit Steve verkracht und war deprimiert, und Paolo schien auch alles satt zu haben. Er hat mir nach der Sperrstunde noch einen Drink spendiert, und wir haben uns unterhalten.“
Gedankenversunken zog sie die Nase kraus. „Zuerst wollte er wissen, warum ich als Angestellte von Harman Grace noch einen zweiten Job nötig hätte. Also habe ich ihm erzählt, dass meine Mutter Witwe ist und mein Bruder Toby zwar ein Stipendium erhält, aber die Nebenkosten fürs Internat irrsinnighoch sind. Vor allem die Exkursion im Herbst wird teuer.“
Sie legte ein weiteres Kleidungsstück in den Koffer.
„Dann hat Paolo angefangen, sich bitterlich über seine Mutter zu beklagen, weil sie ihn mit dieser Beatrice verkuppeln will – und bei einigen Gläsern Wein kristallisierte sich irgendwie der Plan heraus.“
Laura schüttelte den Kopf.
„Zuerst hielt ich es für eine Schnapsidee. Doch als Paolo am nächsten Abend wieder in die Bar kam und die Einzelheiten ausfeilte, wusste ich, er meinte es ernst. Und mir wurde klar, dass die Summe, die er mir bot, für Tobys Exkursion ausreicht. Außerdem wollte ich schon immer mal nach Italien! Vielleicht ist es meine letzte Chance auf einen richtigen Urlaub, bevor ich ernsthaft für die Wohnung zu sparen anfange.“
„Ich habe schon angefangen.“ Abschätzig sah Gaynor sich in dem engen Zimmer um, das ihrem eigenen, am anderen Ende des Ganges, aufs Haar glich. „Es heißt, Ma Hughes sei drauf und dran, wieder einmal die Miete zu erhöhen. Wenn wir nicht bald ein richtiges Apartment finden, können wir uns die Anzahlung dafür nicht mehr leisten. Meine Kollegin Rachel ist echt interessiert, sich uns anzuschließen“, fügte sie munter hinzu. „Anscheinend treibt es sie in den Wahnsinn, noch bei den Eltern zu leben.“
Gaynor stand auf und sammelte die leeren Kaffeetassen ein. Auf dem Weg zur Gemeinschaftsküche blieb sie an der Tür stehen. „Laura, bist du dir ganz sicher, dass du diesem Paolo trauen kannst? Er wird dich nicht plötzlich anfassen, sobald er mit dir allein
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