EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
gewöhnlich gut mit ihnen aus. Jetzt sagte ihr jedoch ein Gefühl, dass Caio ihr eher ein Stück aus der Wade beißen als freundlich auf ihre Annäherungsversuche reagieren würde.
Schon führte Paolo Laura in den Salon und sagte, nachdem er seine Mutter begrüßt hatte: „Ruf deine Kampfratte zurück, Mamma, oder meine Laura wird glauben, sie wäre hier nicht willkommen.“
„Ich bin immer bereit, deine Freunde mit offenen Armen aufzunehmen“, erwiderte Signora Vicente. Sie stand von dem mit Brokat bezogenen Sofa auf und reichte Laura die Hand.
Paolos Mutter war eine große, schlanke Frau, die früher einmal sehr schön gewesen sein musste. Nun wirkten ihr Gesicht und ihre Lippen schmal, zusammen mit den durchdringend blickenden dunklen Augen verlieh ihr das ein eher strenges, einschüchterndes Aussehen.
„Signorina Mason, richtig?“ Sie lächelte, als Laura nickte. „Sie möchten jetzt sicher Tee – nach englischem Brauch, stimmt’s?“
Laura hob das Kinn. „In Italien sollte ich mich wohl eher nach den hiesigen Gepflogenheiten richten.“
Die Signora zog die schmal gezupften Brauen hoch. „Das lohnt sich wohl kaum während Ihres kurzen Aufenthalts – aber wie Sie wünschen.“ Sie läutete nach dem Mädchen und bestellte Kaffee und Kuchen. Anschließend setzte sie sich wieder aufs Sofa und bedeutete Paolo, neben ihr Platz zu nehmen.
Der Salon war ein schöner, gut geschnittener Raum mit hoher Decke, aber Laura fand ihn zu voll gestellt. Es gab zu viele Gruppen unbequem aussehender Sessel und spindelbeiniger vergoldeter Tischchen mit Unmengen von teurem Nippes darauf. Die hohen Fenster waren von Läden halb verdeckt.Gern hätte Laura sie aufgestoßen, um mehr Sonnenlicht hereinzulassen. Doch das wäre wahrscheinlich schädlich für die Möbelbezüge und die teuren Teppiche auf dem Parkettboden.
„Ich habe Neuigkeiten für dich, mein Lieber“, informierte die Signora ihren Sohn, nachdem das Dienstmädchen Kaffee und kleine, unglaublich üppige Schokoladenkuchen serviert und den Salon wieder verlassen hatte. „Und auch für deine Begleiterin. Bedauerlicherweise kann ich euch nicht in mein Landhaus einladen. Es wird zurzeit von Handwerkern bevölkert. Lästig, ich weiß, aber unabdingbar.“
Laura hielt inne, die Tasse auf halbem Weg zum Mund. Hieß das, sie würden die vollen zwei Wochen in dieser Wohnung verbringen müssen? Es wirkte zwar durchaus geräumig, aber nach wenigen Tagen in Gesellschaft von Paolos Mutter würde Laura hier Platzangst bekommen.
Auch Paolo sah nicht erfreut aus. „Du wusstest doch, dass wir kommen, Mamma, und ich habe Laura versprochen, ihr die Toskana zu zeigen.“
„Ein anderes Mal vielleicht“, erwiderte die Signora. „Diesmal muss sie sich mit Umbrien zufrieden geben. Dein Cousin hat uns seine Villa Diana in Besavoro als Feriendomizil angeboten.“
„Weshalb ist Alessio denn plötzlich so entgegenkommend?“, fragte Paolo verblüfft.
„Wir sind doch seine einzigen Verwandten!“, antwortete seine Mutter.
„Trotzdem ist es sonst nicht seine Art“, konterte er und fügte mürrisch hinzu: „Besavoro liegt doch am … Ende der Welt und die Villa auf einem Berghang im Nirgendwo. Das ist kein angemessener Ersatz für unser Haus in der Toskana.“
„Oh, ich denke, Signorina Mason wird es dort ganz bezaubernd finden.“ Ein Lächeln umspielte Signora Vicentes Lippen, ihre Augen blickten kühl. „Die Gegend ist nicht von Engländern überlaufen. Die Toskana hingegen ist mittlerweile, wie ich hörte, als Chiantishire bekannt. Wirklich amüsant!“
„Ach ja? Mir war es bisher nicht bekannt“, log Laura, scheinbar ungerührt.
Lieber Himmel, ich werde den Urlaub im Haus des Direktors der Arleschi Bank verbringen, dachte sie bestürzt. Das durfte nicht wahr sein! In gewisser Weise war er doch auch ihr Boss, seit Laura an der PR-Kampagne für die Bank mitarbeitete.
„Umbrien ist auch sehr schön“, fügte Signora Vicente hinzu. „Man nennt es das grüne Herz Italiens, und es gibt viele Sehenswürdigkeiten: Assisi, Perugia oder Urbino, den Geburtsort des großen Malers Raffael. Sie werden die Qual der Wahl haben, Signorina Mason.“
Paolo blickte zur Decke. „Das nennst du eine Auswahl? Wenn wir auf dieser Todesfalle von Bergstraße bei jedem Ausflug unser Leben riskieren?“ Er schüttelte den Kopf. „Sollte meinem Cousin etwas passieren und ich die Villa erben, steht sie am folgenden Tag zum Verkauf.“
„Sie müssen meinen Sohn entschuldigen,
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