Eros und Asche
Poolkante, er trägt ein Kettchen mit Amulett, und die weiße Schnur seiner schwarzen Badehose hängt ihm in den Schritt, mit etwas Abstand gesehen ein Riss durch den Unterleib; neben ihm steht ein Glas mit Cola, neben seinem Freund eine Flasche Bier. Und dieser Freund bin ich, meine Haltung ist etwas aufrechter als M.s, Beine leicht angewinkelt, linke Hand auf dem rechten Schenkel, doch unsere Körper könnten die von Brüdern sein, desgleichen die dunklen, eher kurzen Haare. Einen Monat lang führten wir dieses Leben am Pool und teilten danach unser schönes Zimmer, oft lagen wir dort nackt und bis zum Koller erregt auf den Betten, und ich musste für ihn Geschichten erfinden, wie sechsunddreißig Jahre später unter den Colonaden am Malecón von Havanna. Ein leises Erzählen in der Stunde zwischen dem Badetag und dem Drink vor dem Dinner im Speisesaal, wenn es schon dunkler wurde und sich die Vorhänge bauschten, weil vom Atlantik Wind aufkam, man die Brandung bis nach oben hörte, wie eine Filmmusik zu den Geschichten vom Ficken, und keinem wäre auch nur entfernt die Idee gekommen, im anderen ein Ziel zu sehen. Denn jeder sah den anderen, bei allem Koller, immer und in erster Linie als Denkenden; man sah ihn denken statt begehren. Und doch nahm ich bei jeder Gelegenheit M.s silbernes Feuerzeug in die Hand, und er ließ sich von mir die Krawatte binden, ehe wir später in den Speisesaal zogen, wo damals noch Kleidervorschriften galten. Und dort gingen die Geschichten dann weiter, mit zwei jungen Italienerinnen, die jeden Abend an der Seite ihrer Golduhrenmänner gelangweilt das Menü ertrugen, sie kamen in jeder Fortsetzung vor, und oft steckten wir, genau wie sie, zwischen den Gängen die Köpfe zusammen und lachten. Und immer hatten wir zwei Zimmer in diesen Geschichten, jeder war mit seiner Italienerin allein – sicher auch ein Ausdruck unserer heiklen Beziehung, in der es nie zur vollzogenen Liebe kam, aber immer wieder zur Verliebtheit (von der ja schon eine Spur genügt, um jede Freundschaft unvergleichlich zu machen).
Liebe, Ehe, Freundschaft, ein Gang auf der Fanmeile. Wir schieben uns durch das Gewühl, meine Idee: in dem Glauben, dieser Corso hätte sich nach dem verlorenen Halbfinale erledigt und man könne wieder mit Hund am Main spazieren gehen. Aber dem ist nicht so, und U. trägt das Tier wie früher den Sohn oder die Tochter, ein inniges Bild. Das alte Ehepaar mit Kind, sagt der Mann, als sei er kein Teil des Bildes, und die Frau fällt über den Ausdruck Ehepaar her, ja schon das Wort Ehe lässt sie nicht gelten: Es sei ihr angehängt wie dem Ganzen hier die Fahnen. Und obwohl der Zurechtgewiesene ähnlich empfindet, hat er doch Bedenken – schließlich ist die Fahne dieser Ehe auch eine gewollte Fahne, sie flattert nur im Verborgenen, wie die der Freundschaft (ein Wort, das zwischen M. und mir kaum gefallen war); und auf einmal, im Gehen, ein Erzählen von dem, was da mehr unter der Hand als geplant entsteht, ein Buch über die Person, die U. nie gemocht hatte, und den Mann, mit dem sie zwar verheiratet ist, aber in keiner Ehe lebt, jedenfalls nicht wie andere. Und was wird das, fragt sie, der Roman einer Freundschaft oder die Freundschaft als Roman? Beides, sage ich. Und in beiden Fällen spielt die Internatszeit eine Rolle, unsere Entdeckung des Denkens und der Liebe in den Sechzigern, unser Glaube, die Welt auf den Kopf stellen zu können. Danach das stille Auseinandergehen und später das stille Wiederanknüpfen, unsere Telefonate, unsere Treffen, unsere zwei Welten – die eigentliche Freundschaft bestand aus der Sehnsucht danach. Und die Frau, die seit langem mit dem Erzähler der Geschichte ihr Leben teilt, möchte wissen, ob er den Freund, um den es da geht, geliebt habe. Geliebt? Keine einfache Frage, wenn sie so frontal kommt, noch dazu auf einer Fanmeile. Ich weiß nur, wir hatten etwas miteinander, vierzig Jahre lang, aber nie das, was du denkst. Und auch davon erzähle ich: Wie dieses Etwas entstand, und wie es sich hielt, und warum es vor seinem letzten Höhepunkt zu Asche werden musste. Also mehr als eine Frage – viele! Am Ende des abendlichen Gangs im Menschengedränge noch dieser Ausruf, etwas gereizt, wie immer, wenn man ein Stück Extraliebe verteidigt.
Und die eheliche Liebe, ebenfalls eine Art von Freundschaft? Ja und nein, denkt der Gereizte. Ja, weil aus der jungen Ehe, wenn sie etwas taugt, eine alte wird, die Gemeinschaft zweier Sprachen oder ähnlich erzählter
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