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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Bereich für sich in Anspruch nimmt und verteidigt, der ihm das ganze Leben lang ausreichend Nahrung bietet. Wir bauen Gartenzäune, doch selbst unsere Häuser werden meist von Mietern oder Mitbewohnern geteilt, und den größten Teil unseres Lebens verbringen wir auf die eine oder andere Art auf Gemeineigentum, bei der Arbeit, beim Einkaufen, auf Reisen und zum Spaß. Menschen leben in Gruppen.
    All das hilft uns also nicht wesentlich weiter. Die meisten Leute leben in monogamen Verhältnissen, aber das kann auch bedeuten, daß sie nur tun, was ihnen die Demokratie im großen und ganzen vorschreibt, nicht aber, wonach die menschliche Natur verlangt. Lockern wir das Verbot, dann wird die Polygamie blühen und gedeihen. Utah hatte einst eine Tradition theologisch sanktionierter Polygamie. In den letzten Jahren hat man dort aufgehört, die inzwischen gesetzlich untersagte Polygamie nachdrücklich zu verfolgen, und schon wird der alte Brauch wieder gepflegt.
    Die meisten bevölkerungsreichen Lebensgemeinschaften leben in Monogamie, aber drei Viertel aller Stammeskulturen sind polygam, und selbst angeblich monogame Kulturen sind dies meist nur dem Namen nach. Im Verlauf der Geschichte haben mächtige Männer in aller Regel mehr als eine Beziehung gehabt, auch wenn sie oft nur eine rechtmäßige Frau hatten. Das aber gilt nur für die Mächtigen. Alle übrigen Männer haben, auch in offenen polygamen Gesellschaften, meist jeweils nur eine Frau, und nahezu alle Frauen haben jeweils nur einen Mann. Damit stehen wir wieder am Anfang. Die Menschheit lebt je nach den herrschenden Umständen polygam oder monogam. Vielleicht ist es sogar naiv, davon ausgehen zu wollen, daß der Mensch überhaupt so etwas wie ein Paarungssystem besitzt. Er tut, was er will, und paßt sein Verhalten den jeweiligen Gegebenheiten an. 4

Wenn Männer »mit der Tür ins Haus fallen« und Frauen flirten
    Er? Was ist mit ihr? Bis vor kurzer Zeit hatten die Evolutionsbiologen eine relativ simple Art, Dinge wie das menschliche Paarungssystem vor dem Hintergrund der wesentlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau zu sehen. Falls es nach mächtigen Männern ginge, lebten die Frauen vermutlich wie See-Elefantenweibchen in Harems. Das zumindest lernen wir mit Sicherheit aus der Geschichte. Ginge es nach den Frauen, wären Männer so treu wie Albatrosse. Wenn auch die Forschung diese Annahme modifiziert hat, so gilt doch noch immer, daß Männer im allgemeinen die Verführer sind, während Frauen verführt werden. Die Menschheit teilt dieses Muster von feurigen, polygamen Männchen und keuschen, treuen Weibchen mit beinahe neunundneunzig Prozent aller Tierarten, unter anderem mit unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen.
    Betrachten wir zum Beispiel die Frage des Heiratsantrages. In keiner Gesellschaft ist es die Regel, daß er von der Frau oder ihrer Familie formuliert wird. Selbst bei den freizügigsten westlichen Kulturen wird vom Mann erwartet, daß er die entscheidende Frage stellt, und von der Frau, daß sie darauf antwortet. Die Tradition, daß Frauen am Schalttag den Männern einen Antrag machen dürfen, unterstreicht ihre Benachteiligung in dieser Hinsicht nur: Frauen wird einer von 1460 Tagen eingeräumt, während Männer die Frage tagtäglich stellen können. Es stimmt zwar, daß Männer heutzutage nicht mehr auf die Knie fallen, sondern die Angelegenheit mit der Freundin als gleichberechtigte Partner »diskutieren«, doch selbst unter diesen Umständen wird das Thema in aller Regel zuerst vom Mann angeschnitten. Und was die Frage der Verführung selbst angeht, es ist auch hier wieder einmal der Mann, von dem man den ersten Zug erwartet. Frauen flirten zwar, aber Männer wagen den Vorstoß.
    Warum ist das so? Die Soziologen schieben das Ganze auf die Konditionierung, und damit haben sie nicht ganz unrecht. Aber als Antwort ist diese Erklärung nicht ausreichend, denn in dem groß angelegten Menschenversuch namens sechziger Jahre wurde die Konditionierung in vielen Fällen entschieden abgelehnt, und doch hat das Muster überlebt.
    Im übrigen verstärkt Konditionierung im allgemeinen nur vorhandene Instinkte, statt diese zu verdrängen. Wie wir im letzten Kapitel erfahren haben, gibt es seit Robert Trivers’ Erkenntnissen aus dem Jahre 1972 5 eine für Biologen befriedigende Erklärung dafür, daß im gesamten Tierreich in aller Regel die Männchen die feurigen Verehrer sind, und auch dafür, weshalb es Ausnahmen von dieser Regel gibt. Es

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