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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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kann, als Beifußhühnern, die einander bei der Wahl des am eindrucksvollsten balzenden Männchens imitieren. Somit kann es in diesem Falle nicht zu dem Rote-Königin-Wettstreit zwischen den Geschlechtern kommen, der – Überlegungen der Hypothese von den guten Genen zufolge – um Verführung und Standhaftigkeit gegenüber unlauteren Werbung toben müßte.
    Und doch können wir das nicht so kategorisch sagen. Es gibt Säugerarten, bei denen es nur wenige und geringfügige Auswirkungen der sexuellen Selektion gibt. Man wird kaum sagen können, daß eine Durchschnittsratte durch die Präferenzen weiblicher Urahnen mit irgendeiner Form gut sichtbarer Brunstornamente gesegnet sei. Selbst unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, sind von den Auswirkungen der Weibchenwahl kaum betroffen: Die Männchen sehen im großen und ganzen aus wie die Weibchen, und die Werbung gestaltet sich ziemlich schlicht. Allerdings sollten wir kurz innehalten, bevor wir die Auswirkungen sexueller Selektion auf den Menschen leichtfertig abtun.
    Schließlich sind die meisten Leute grundsätzlich an Schönheit interessiert. Lippenstift, Schmuck, Lidschatten, Parfüm, Haarfarben, hohe Absätze – Menschen sind kein bißchen weniger bereit, hinsichtlich ihrer sexuellen Attraktivität und ihrer Reize zu übertreiben oder zu lügen, als jeder Pfau oder Laubenvogel. Bei uns sind, wie die oben aufgeführte Liste zeigt, allem Anschein nach eher die Männer auf weibliche Schönheit aus, während Frauen von männlicher Schönheit weniger beeindruckt zu sein scheinen. Anders ausgedrückt: Statt Weibchenwahl zu betreiben, ist die Menschheit vielleicht das Opfer zahlloser Generationen von »Männchenwahl«. Wenn wir die Theorie der sexuellen Selektion auf den Menschen anwenden wollen, dann sollten wir also vielleicht in erster Linie die männliche Entscheidung für bestimmte weibliche Gene unter die Lupe nehmen. Im Grunde ist das aber ziemlich gleichgültig, denn sobald ein Geschlecht wählerisch wird, ergeben sich die übrigen Konsequenzen der sexuellen Selektion von allein. Es ist gut möglich, ja, wie wir in den nächsten paar Kapiteln sehen werden, sogar wahrscheinlich, daß manche Teile des menschlichen Körpers und seiner Psyche tatsächlich einer sexuellen Selektion unterworfen waren.

SECHS
POLYGAMIE UND DIE NATUR DES MANNES
    Gäbe es keine Frauen – alles Geld der Welt wäre bedeutungslos.
    Aristoteles Onassis
     
    Macht ist das wirksamste Aphrodisiakum.
    Henry Kissinger
     
    Im alten Reich der Inkas unterlag die Sexualität eisernen Geschäftsbedingungen. Der Sonnenkönig Atahualpa hielt sich eintausendfünfhundert Frauen in zahlreichen »Jungfrauenhäusern«, die über das gesamte Königreich verteilt waren. Die Frauen wurden ausschließlich nach ihrer Schönheit beurteilt und waren zum Zeitpunkt der Auswahl selten älter als acht Jahre – damit ihre Jungfräulichkeit garantiert war.
    Jungfrau blieben sie zumeist nicht sehr lange: Sie waren die Konkubinen des Herrschers. Nach diesem hatten Männer jeden sozialen Ranges einen Harem von bestimmter, gesetzlich festgelegter Größe.
    Bei Fürsten zählte er über siebenhundert Frauen. »Wichtige Personen« bekamen fünfzig Frauen, die Oberhäupter der Lehensvölker dreißig, Oberhäupter von Provinzen mit mehr als hunderttausend Einwohnern zwanzig, Herrscher über tausend Einwohner fünfzehn, Verwalter von fünfhundert Menschen zwölf, Gouverneure mit hundert Untergebenen acht, Offiziere mit fünfzig Mann sieben, jemand mit zehn Mann fünf und mit fünf Mann drei. Da blieb für die Durchschnittsmänner nur äußerst wenig übrig, und das ihnen somit mehr oder weniger aufgezwungene Zölibat wird so manchen von ihnen zu Verzweiflungstaten hingerissen haben – wie man aus den drastischen Strafen ersehen kann, die er zu erwarten hatte, wenn er es wagte, seinem Chef Hörner aufzusetzen. Verging sich ein Mann an einer Haremsangehörigen, dann erwartete Frau und Kind, Verwandte, Dienstboten, alle Mitbewohner des Dorfes und seine Lamas die Todesstrafe.
    Das Dorf wurde dem Erdboden gleichgemacht und sein ehemaliger Standort mit Steinen markiert.
    Die Folge davon war, daß Atahualpa und seine Fürsten so etwas wie die Aktienmehrheit hinsichtlich der Elternschaft für die nächste Generation innehatten. Sie brachten unterprivilegierte Männer systematisch um ihren genetischen Anteil an der Nachwelt. Die Angehörigen des Inkareiches waren somit zu einem großen Teil die Nachfahren mächtiger

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