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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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ist nicht einzusehen, weshalb solches nicht auch für den Menschen gelten sollte. Trivers’ Erklärung hat damit zu tun, daß das Geschlecht, welches in die Produktion und in die Aufzucht des Nachwuchses am meisten Energie investiert und somit die meisten Gelegenheiten vergibt, anderen Nachwuchs zu produzieren und aufzuziehen, auch dasjenige ist, dem aus einer zusätzlichen Beziehung am wenigsten Vorteile erwachsen. Ein Pfau tut einer Pfauenhenne einen winzigen Gefallen: Er liefert ihr ein bißchen Sperma, und das ist alles. Er schützt sie nicht vor anderen Pfauen, er füttert sie nicht, er verteidigt ihre Nahrungsquelle nicht und hilft weder beim Brüten noch bei der Aufzucht der Küken. Sie allein übernimmt die ganze Arbeit. Somit ist die Paarung mit ihm von ihrem Standpunkt aus ein höchst ungleiches Geschäft. Sie stellt ihm die heroische, einseitig erbrachte Riesenleistung in Aussicht, seine Spermien zu neuen Pfauen werden zu lassen; er verheißt ihr lediglich einen winzigen – wenn auch wichtigen – Beitrag. Sie könnte jeden beliebigen Pfau wählen und sich damit begnügen – es besteht keine Notwendigkeit, nochmals zu wählen.
    Er dagegen verliert nichts, sondern gewinnt im Gegenteil eine Menge, wenn er sich mit jeder greifbaren Henne paart; für sie bedeutet eine nutzlose Eroberung Zeit- und Energieverlust. Jedesmal, wenn er eine neue Henne verführt, fällt ihm der Hauptgewinn zu: ihre Investition in seine Söhne und Töchter. Jedesmal, wenn sie einem neuen Hahn erliegt, besteht ihr Gewinn in einem bißchen zusätzlichen Sperma, das sie vermutlich ohnehin nicht benötigt. Kein Wunder, daß es für ihn auf Quantität ankommt, für sie dagegen auf Qualität.
    Etwas menschlicher gesprochen: Ein Mann kann mit verschiedenen Frauen nahezu gleichzeitig viele Kinder haben, eine Frau kann, wenn sie das Kind eines Mannes austrägt, nicht gleichzeitig noch andere Kinder produzieren. Jede Wette, daß Casanova mehr Nachkommen hatte als die Hure von Babylon.
    Diese grundlegende Asymmetrie zwischen den Geschlechtern führt geradewegs zum Größenunterschied von Ei und Spermium. Im Jahre 1948 untersuchte der britische Biologe A. J. Bateman die Paarung von Essigfliegen. Er stellte fest, daß die erfolgreichsten Weibchen nicht wesentlich mehr Nachkommen hatten als die weniger erfolgreichen, daß aber die Männchen mit mehr Nachkommen sehr viel erfolgreicher waren als die Männchen mit wenigen Nachkommen. 6 Diese Asymmetrie wurde durch die Evolution weiblicher Brutpflege in hohem Maße verstärkt.
    Ihren Höhepunkt erreicht diese Entwicklung bei den Säugetieren. Ein weibliches Säugetier bringt ein riesengroßes Baby zur Welt, das eine lange Zeit im Leib ernährt worden ist. Ein Männchen kann innerhalb von Sekunden Vater werden. Frauen können ihre Fruchtbarkeit nicht erhöhen, indem sie mehrere Partner gleichzeitig haben, Männer dagegen sehr wohl. Und die Essigfliegen-Regel gilt noch immer. Selbst in hochmonogamen Gesellschaften haben Männer mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit eine größere Anzahl von Kindern als Frauen. Ein Mann, der zweimal heiratet, zeugt mit einer größeren Wahrscheinlichkeit mit beiden Frauen Kinder, als daß eine Frau, die zweimal heiratet, von beiden Männern Kinder bekommt. 7
    Untreue und Prostitution sind Spezialfälle der Polygamie, bei denen keine (eheähnliche) Bindung zwischen den Partnern besteht. Dadurch fallen der Ehefrau eines Mannes und seiner Geliebten verschiedene Positionen hinsichtlich der von ihm wahrscheinlich zu erwartenden Investition in seine Kinder zu. Ein Mann, der seine Geschäfte so führt, daß ihm dabei Zeit, Gelegenheit und Geld für zwei Familien bleibt, ist nicht nur reich, sondern auch sehr selten.

Feminismus und Wassertreter
    Die Regel, daß das Ausmaß an elterlicher Investition festlegt, welches Geschlecht versuchen wird, polygam zu leben, läßt sich an ihren Ausnahmen überprüfen. Bei den Seepferdchen tragen die Weibchen eine Art Penis, mittels dessen sie Eier in den Körper des Männchens injizieren und dabei die normale Paarungsmethode geschickt umkehren. Die Eier entwickeln sich im Männchen, und wie die Theorie es voraussagen würde – das Seepferdweibchen umwirbt das Männchen. Bei etwa dreißig Vogelarten – am besten untersucht sind in diesem Zusammenhang die Wassertreter und die Blatthühnchen – werden kleine, zahme Männchen von großen, aggressiven Weibchen umworben, und bei all diesen Arten ist es das Männchen, welches die Eier

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