Eros und Evolution
anderen verschieden sind, sondern das, was allen Menschen gemeinsam ist, etwa Sprache und Grammatik, Hierarchiedenken, Liebe und Romantik, Eifersucht und langfristige Beziehungen zwischen den Geschlechtern (»Ehe« im weitesten Sinne). Hierbei handelt es sich um trainierbare Instinkte, die unserer Art eigen und mit derselben Sicherheit ein Produkt der Evolution sind wie Augen und Daumen. 2
Warum Ehe?
Für einen Mann sind Frauen das Mittel, seine Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Für eine Frau sind Männer die Quelle einer lebenswichtigen Substanz (des Spermas), mittels derer aus ihren Eizellen Embryos werden können. Für jedes Geschlecht bildet das jeweils andere Geschlecht eine begehrte und auszubeutende Ressource.
Es fragt sich nur, wie? Eine Möglichkeit, das andere Geschlecht auszubeuten, besteht darin, so viele Personen wie möglich zur Paarung »herumzukriegen« und sie dann – genau wie es ein See-Elefant tut – zu verlassen. Das andere Extrem ist die Entscheidung für ein Individuum, mit dem alle Elternpflichten gleichmäßig geteilt werden – wie bei den Albatrossen. Jede Spezies befindet sich mit ihrem eigenen »Paarungssystem« irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Wo befindet sich der Mensch?
Es gibt fünf Möglichkeiten, das herauszufinden. Die eine besteht darin, moderne Menschen zu beobachten und das, was man bei ihnen feststellt, das menschliche Paarungssystem zu nennen. Hier lautet die Antwort in den meisten Fällen: monogame Partnerschaft. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die menschliche Geschichte genauer zu betrachten und aus unserer Vergangenheit darauf zu schließen, welche sexuellen Arrangements für unsere Spezies typisch sind. Doch die Geschichte vermittelt uns düstere Einsichten: Ein geläufiges Arrangement unserer Vergangenheit bestand darin, daß reiche und mächtige Männer Frauen in ihren Harems zu Konkubinen versklavten. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, moderne Menschen in ursprünglichen Gesellschaftsformen mit steinzeitähnlicher Technologie zu betrachten und anzunehmen, daß sie ungefähr so leben wie unsere Vorfahren vor zehn Jahrtausenden. Diese Lebensgemeinschaften liegen offenbar irgendwo dazwischen – weniger polygam als die frühen Hochkulturen, weniger monogam als moderne Gesellschaften. Die vierte Möglichkeit ist die, daß wir uns an unseren nächsten Verwandten orientieren, den Affen, und unser Verhalten und unsere Anatomie mit ihnen vergleichen. Aus dieser Betrachtungsweise lernen wir, daß erstens unsere Hoden für ein System der Promiskuität, wie es bei den Schimpansen herrscht, nicht groß genug sind (vgl. S. 259) und daß zweitens der männliche Körper nicht über eine ausreichende Größe für ein System der Haremspolygamie verfügt, wie es bei Gorillas üblich ist (es besteht eine eiserne Verknüpfung zwischen der Haremspolygamie einer Art und dem Größenunterschied zwischen Männchen und Weibchen). Auch sind wir nicht so antisozial und so der Treue verpflichtet wie die monogamen Gibbons. Wir liegen irgendwo dazwischen. Die fünfte Möglichkeit schließlich besteht darin, die Menschheit mit anderen Tieren zu vergleichen, bei denen ebenfalls ein hochentwickeltes Sozialgefüge besteht: Kolonievögel, Affen und Delphine. Wie wir sehen werden, ergibt sich aus dieser Betrachtungsweise die Einsicht, daß wir für ein System ehebrecherischer Monogamie gebaut sind.
Zumindest einige Varianten lassen sich ausschließen. Es gibt typisch menschliche Dinge, wie das Eingehen einer dauerhaften Bindung zwischen Sexualpartnern – selbst wenn diese polygam sind: Wir verhalten uns anders als Beifußhühner, deren Ehen bestenfalls Minuten dauern.
Auch frönt die Menschheit nicht der Polyandrie wie die Blatthühnchen, tropische Wasservögel, bei denen große, übermächtige Weibchen Harems kleiner zahmer Männchen kontrollieren. Auf der Erde gibt es eigentlich nur eine einzige Lebensgemeinschaft, die in Polyandrie lebt. Sie besteht aus Frauen, die zwei oder mehr Brüder gleichzeitig heiraten, um damit eine familiäre Einheit zu schaffen, die in einem kargen Land, in dem die Männer Yaks hüten, um die Familien zu ernähren, wirtschaftlich lebensfähig ist. Der Ehrgeiz des jüngsten Bruders bleibt dabei jedoch, die Einheit zu verlassen und eine eigene Frau zu nehmen, für ihn ist die Polyandrie also deutlich nur zweite Wahl. 3 Auch leben Menschen nicht wie Rotkehlchen oder Gibbons in streng abgegrenzten Territorien, indem jedes Paar einen
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