Eros und Evolution
Männer.
In dem westafrikanischen Königreich Dahome (heute: Benin) hatten alle Frauen dem König nach Belieben zur Verfügung zu stehen. Tausende von ihnen wurden für ihn in königlichen Harems gehalten, und die von ihm bevorzugten »heiratete« er. Das Ergebnis war, daß die Könige von Dahome ausgesprochen fruchtbar waren, während gewöhnliche Männer in diesem Reich oft ehelos und ohne Nachkommen blieben. In der Stadt Abomey war es dem Bericht eines Besuchers aus dem neunzehnten Jahrhundert zufolge »schwierig, jemanden zu finden, der nicht von königlicher Abstammung war«.
Die Verknüpfung von Sex und Macht hat eine lange Tradition. 1
Der Mensch, ein Tier
Bisher hat dieses Buch dem Leser nur einige wenige Seitenblicke auf den Menschen gestattet. Das ist durchaus kein Zufall. Die Prinzipien, die ich darzulegen versucht habe, lassen sich besser an Blattläusen, Löwenzahn, Schleimpilzen, Essigfliegen, Pfauen und See-Elefanten verdeutlichen als an einem ganz speziellen Affen. Doch immun ist dieser spezielle Affe gegen diese Prinzipien durchaus nicht. Der Mensch ist ebenso das Produkt der Evolution wie jeder Schleimpilz, und die Revolution der letzten zwanzig Jahre hinsichtlich der wissenschaftlichen Betrachtungsweise evolutionärer Vorgänge ist auch für die Menschheit von ungeheurer Bedeutung. Um die bisherige Diskussion zusammenzufassen: Evolution hat mehr mit der Fortpflanzung des jeweils bestangepaßten Organismus zu tun als mit dessen Überleben. Jedes Lebewesen auf der Erde ist das Produkt einer langen Reihe historischer Schlachten zwischen Parasiten und Wirtsorganismen, zwischen Genen und anderen Genen, zwischen Mitgliedern derselben Art und zwischen Mitgliedern eines Geschlechts im Konkurrenzkampf um die Mitglieder des anderen Geschlechts. Zu diesen Schlachten gehören auch psychologische Kämpfe, die zum Ziel haben, andere Artgenossen zu manipulieren und auszubeuten. Sie werden nie gewonnen, denn der Erfolg in der einen Generation stellt nur sicher, daß die Widersacher der nächsten Generation besser zum Kampf gerüstet sein werden. Das Leben ist ein Wettlauf, dem Leben des Sisyphos vergleichbar: immer schneller einer Ziellinie zustreben, die nichts anderes ist als der Ausgangspunkt für das nächste Rennen.
In diesem Kapitel soll begonnen werden, die Logik dieser Argumente konsequent auf die Grundlagen menschlichen Verhaltens anzuwenden.
Wer der Ansicht ist, dies sei nicht gerechtfertigt, weil der Mensch einzigartig sei, bedient sich zur Untermauerung seiner Ansicht in aller Regel eines der beiden folgenden Argumente: Menschliches Verhalten sei erlernt und nicht ererbt; ererbtes Verhalten sei unflexibel, der Mensch aber sei eindeutig flexibel. Das erste Argument ist eine schamlose Übertreibung, das zweite ist falsch. Einen Mann packt nicht deshalb Verlangen, weil ihm das auf Vaters Schoß beigebracht wurde, er ist nicht hungrig oder ärgerlich, weil man ihm das vermittelt hat. All das ist Teil der menschlichen Natur. Er wurde mit der Fähigkeit geboren, Verlangen, Hunger und Wut zu entwickeln. Er hat gelernt, seinen Hunger auf Hamburger, seinen Zorn auf verspätete Züge und sein Verlangen auf Frauen zu richten – falls dies angebracht ist. Damit hat er seine »Natur verändert«. Ererbtes durchdringt alles, was wir tun – und es ist flexibel. Es gibt nichts Angeborenes, das bar alles Erlernten existiert; es gibt nichts Erlerntes, das sich ohne Angeborenes entwickelt. Wer das Gegenteil behauptet, tut etwas Ähnliches wie jemand, der erklärt, eine Fläche sei durch ihre Länge definiert, nicht aber durch ihre Breite. Jedes Verhalten ist das Produkt eines durch Erfahrung geschulten Instinkts.
Bis vor wenigen Jahren blieben Untersuchungen am Menschen von solchen Vorstellungen einhellig unbeeindruckt. Noch heute stehen viele Anthropologen und Soziologen vollkommen überzeugt auf dem Standpunkt, die Evolutionstheoretiker hätten ihnen nichts zu sagen. Der menschliche Körper mag das Produkt natürlicher Selektion sein, doch menschlicher Geist und menschliches Verhalten sind Produkte der »Kultur«, und menschliche Kultur ist nicht das Abbild menschlicher Natur, sondern es verhält sich genau umgekehrt. Dies engt die Untersuchungen von Sozialwissenschaftlern auf die Betrachtung von Unterschieden zwischen den Kulturen und zwischen Individuen ein – und führt zu einer Übertreibung solcher Unterschiede. In meinen Augen aber ist das Interessanteste am Menschen nicht das, was von einer Kultur zur
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