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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Fleisch und Honig. 27
    Kim Hill von der University of New Mexico ist der Ansicht, es habe nie ein konsistentes EEA gegeben, stimmt aber der Feststellung zu, daß es universelle Merkmale menschlichen Lebens gibt, die heute der Aktualität entbehren, die aber in ihren Nachwirkungen noch spürbar sind. Jedermann kannte sämtliche Personen, denen er im Laufe seines Lebens begegnete. Es gab keinen Fremden, eine Tatsache, die für die Geschichte der Entwicklung von Handelsbeziehungen und der Verbrechensbekämpfung von ausschlaggebender Bedeutung gewesen ist. Diese fehlende Anonymität bedeutete auch, daß Scharlatane und Betrüger mit ihren Schwindeleien nicht durchkamen.
    Eine andere Gruppe von Biologen in Michigan lehnt diese Form der EEA-Argumentation aus zwei Gründen völlig ab: Erstens sei das entscheidende Merkmal des EEA noch heute unverändert vorhanden. Es sind die anderen Menschen. Unsere Gehirne sind nicht deshalb so groß und komplex geworden, damit wir bessere Werkzeuge herstellen konnten, sondern damit wir einander besser verstehen lernten. Die Botschaft der Sozioökologie lautet, daß unser Paarungssystem nicht durch die Ökologie bestimmt wird, sondern durch andere Menschen – Mitglieder desselben Geschlechts ebenso wie Mitglieder des jeweils anderen Geschlechts. Es ist die Notwendigkeit, einander zu überlisten, zu betrügen, zu helfen und zu lehren, die uns dazu veranlaßt hat, immer intelligenter zu werden.
    Und zweitens sind wir ihrer Ansicht nach vor allem anderen dazu entworfen, anpassungsfähig zu sein. Wir sind geschaffen, alle möglichen alternativen Strategien einzusetzen, um unser Ziel zu erreichen. Die heute existierenden Jäger-und-Sammler-Kulturen weisen eine ungeheure ökologische und soziale Variationsbreite auf. Vermutlich sind diese Jäger-und-Sammler-Gesellschaften kein repräsentatives Beispiel, denn sie bewohnen in erster Linie Wüsten und Wälder, also nicht den ursprünglichen Lebensraum des Menschen. Bereits zu Zeiten des Homo erectus gab es vermutlich spezialisierte Fischer-, Küstenbewohner-, Jäger- oder Sammlerkulturen, vom modernen Menschen ganz zu schweigen. Manche davon boten vermutlich sehr wohl Gelegenheit zur Anhäufung von Reichtümern und zur Polygamie. In der jüngeren Geschichte gab es am Pazifik eine Kultur von lachsfischenden Indianern, die hoch polygam organisiert war. Sobald es die lokale Jäger-Sammler-Ökonomie zuließ, waren Männer in der Lage, polygam zu leben, und Frauen konnten dem Widerstand der Mitfrauen mit älteren Rechten zum Trotz einem Harem beitreten. Ließ die Situation dies nicht zu, dann waren Männer in der Lage, gute Väter zu sein, während Frauen eifersüchtig über ihre Einehe wachten. Mit anderen Worten: Die Menschheit verfügt über viele Paarungssysteme: für jede Gelegenheit eines. 28
    Gestützt wird diese Überlegung durch die Tatsache, daß größere, intelligentere Tiere mit einem komplexeren Sozialverhalten von höherer Flexibilität hinsichtlich ihrer Paarungssysteme sind als kleinere, weniger intelligente Tiere, die einzeln leben. Schimpansen können, je nach der Zusammensetzung ihrer Ressourcen, in kleinen Trupps oder in großen Gruppen leben. Für Truthähne gilt dasselbe. Kojoten jagen im Rudel, wenn sie Rehe jagen, Mäuse dagegen jagen sie allein. Ein solches nahrungsinduziertes Sozialverhalten verursacht von selbst leichte Unterschiede im Paarungsverhalten.

Geld und Sex
    Wenn aber die Menschheit eine flexible Spezies ist, dann umgibt uns das EEA in gewisser Weise noch immer. Wenn Menschen den Kulturen des zwanzigsten Jahrhunderts angepaßt handeln oder wenn Macht den Fortpflanzungserfolg erhöht, kann dies darauf zurückzuführen sein, daß im EEA (was und wann das auch immer gewesen sein mag) geformte Anpassungen noch immer funktionieren. Die technologischen Probleme des städtischen Lebens mögen sich himmelweit von den Problemen in einer Savanne des Pleistozän unterscheiden, die menschlichen Probleme aber sind die gleichen geblieben. Noch immer nimmt uns der Klatsch über Menschen, die wir kennen oder von denen wir gehört haben, gefangen. Männer sind noch immer machtbesessen und bestrebt, männliche Koalitionen zu bilden oder zu beherrschen. Menschliche Institutionen lassen sich nicht ohne ein tieferes Verständnis ihrer internen Politik verstehen. Die Monogamie unserer heutigen Gesellschaft ist vielleicht nur eine von vielen Varianten im Repertoire der Paarungssysteme, aus dem wir schöpfen können, so wie die

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