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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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ausnahmslos polygam. Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Eine Rinder- oder Schafherde von fünfzig Tieren ist nicht viel schwerer zu hüten als eine von fünfundzwanzig Tieren.
    Solchermaßen geschichtete Wirtschaftsformen ermöglichen es einem Mann, sich einen immer rascher wachsenden Reichtum zuzulegen. Die positive Rückkopplung führt dabei zu einer Ungleichverteilung von Reichtümern, die wiederum zu einer Ungleichverteilung sexueller Möglichkeiten führt. Bei den Mukogodo in Kenia beruht der größere Fortpflanzungserfolg einiger Männer auf deren Reichtum: Reich zu sein ermöglicht es ihnen, früh und häufig zu heiraten. 32 Mit dem Beginn der »Zivilisation«, die in sechs verschiedenen Regionen der Welt (von Babylon im siebzehnten Jahrhundert vor Christus bis zu den Inkas im sechzehnten Jahrhundert nach Christus) unabhängig voneinander anbrach, hielten die Herrscher Tausende von Frauen in ihren Harems. Hatten Jagd- und Kriegerglück einem Mann einst eine oder zwei Frauen zusätzlich eingebracht, so hatte der Reichtum ihm zehn oder mehr verschafft. Doch Reichtum brachte noch einen weiteren Vorteil mit sich. Man konnte damit nicht nur Frauen direkt »kaufen«, sondern man konnte damit »Macht« erwerben. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß sich für die Zeit vor dem Beginn der Renaissance kaum eine Unterscheidung in Reichtum und Macht treffen läßt: Bis dahin gab es keinen Wirtschaftszweig, der von den Machtstrukturen unabhängig war. Ein Mann war wirtschaftlich und sozial von ein und demselben Herrn abhängig. 33 Grob gesagt handelt es sich bei Macht um die Fähigkeit, sich seine Verbündeten nach Belieben aussuchen zu können, und dies hängt in hohem Maße vom eigenen Reichtum ab (mit ein bißchen zusätzlicher Unterstützung durch Gewalt).
    Machtstreben ist allen sozial lebenden Tieren gemeinsam. Kaffernbüffel steigen innerhalb der Hierarchie ihrer Herde zu Dominanzpositionen auf, die sich in sexuellen Vorteilen ausdrücken. Auch Schimpansen streben danach, »Alpha-Tier« ihrer Gruppe zu werden und damit ihre Paarungshäufigkeit zu erhöhen. Ähnlich wie Menschen bedienen sich Schimpansen nicht ausschließlich roher Gewalt, um ihr Ziel zu erreichen. Sie setzen auf Schläue und suchen Verbündete. Die Stammesfehden zwischen verschiedenen Schimpansengruppen sind Ursache und Folge der männlichen Neigung zur Bildung von Verschwörungen. Die Männchen in den von Jane Goodall beobachteten Gruppen waren sich stets ihrer Situation bewußt, wenn sie den Männchen einer anderen Gruppe zahlenmäßig unterlegen waren, und suchten gezielt nach Gelegenheiten, die feindlichen Männchen einzeln abzupassen. Je größer die Allianz und je stärker der Zusammenhalt, um so effizienter war das Bündnis. 34
    Zusammenschlüsse von Männchen finden sich in vielen Spezies. Bei Truthähnen präsentieren sich mehrere Brüder gleichzeitig auf einem Balzplatz. Tragen sie den Sieg davon, dann paaren sich die Weibchen mit dem ältesten Bruder. Bei Löwen finden sich Brüder zusammen, um fremde Männchen aus einem Rudel zu vertreiben und dieses selbst zu übernehmen; sie töten die Jungen, damit die Löwinnen wieder paarungsbereit werden, und sämtliche Brüder paaren sich mit allen vorhandenen Weibchen. Bei den Eichelspechten leben Gruppen von Brüdern mit Gruppen von Schwestern in einer Art Kommune zusammen und kontrollieren einen »Vorratsbaum«, in den sie zahllose Löcher gebohrt haben, um bis zu dreißigtausend Eicheln als Wintervorrat zu lagern. Die Jungen – Nichten und Neffen aller Vögel außer den leiblichen Eltern – müssen die Gruppe verlassen, eigene Bruder- und Schwesternschaften gründen und einen Vorratsbaum übernehmen, aus dem sie die bisherigen Bewohner vertreiben. 35
    Bündnisse zwischen Männchen oder Weibchen basieren nicht notwendigerweise auf Verwandtschaftsbeziehungen. Brüder helfen einander, weil sie verwandt sind: Was gut für die Gene des Bruders ist, ist auch gut für die eigenen, denn man teilt ja die Hälfte davon miteinander. Es gibt aber noch einen anderen Weg, sicherzustellen, daß Altruismus sich auszahlt: Gegenseitigkeit. Wenn ein Tier die Hilfe eines anderen beansprucht, könnte es versprechen, sich bei Gelegenheit zu revanchieren.
    Solange dieses Versprechen glaubwürdig ist – mit anderen Worten: solange Individuen einander erkennen und lange genug zusammenleben, um ihre Schulden einzutreiben –, solange kann ein Männchen andere Männchen dazu bringen, ihm in

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