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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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bedeutungslos für die Weibchen, daß es die Weibchen kaum kümmert, ob die Männchen sich bereits gepaart haben. Die Menschheit ist eine verblüffende Ausnahme von dieser Regel. Da Kinder von ihren Eltern so extrem lange versorgt werden, gleichen sie im Grunde eher jungen Vögeln als jungen Säugetieren. Eine Frau ist weit besser dran, wenn sie sich für einen unverheirateten mittelprächtigen Mann entscheidet, der ihr bei der Erziehung hilft, als wenn sie einen treulosen Erfolgsmann nimmt und alle Arbeit allein erledigen muß. Auf diesen Punkt werde ich im nächsten Kapitel noch einmal zurückkommen. Für den Augenblick sollten wir die Menschen vergessen und uns mit Hirschen beschäftigen.
    Eine Hirschkuh hat keinen Bedarf an einem Bock, der nur ihr gehört.
    Er kann die Jungen weder säugen noch füttern. Das Paarungssystem der Hirsche ist daher bestimmt vom Kampf der Männchen untereinander und wird davon beeinflußt, wie die Weibchen sich verteilen. Wo die Weibchen in Herden leben (im Falle der Rothirsche zum Beispiel), kann der Bock einen Harem besitzen. Wo die Weibchen allein leben (im Falle von Rehen zum Beispiel), beherrschen die Männchen ein Revier und sind in der Regel monogam. Jede Art hat ihr eigenes Muster, und dieses hängt vom Verhalten der Weibchen ab.
    In den siebziger Jahren begannen die Zoologen, diese Muster genauer zu untersuchen, um Hinweise darauf zu bekommen, wodurch das Paarungssystem einer Art festgelegt wird. Sie prägten in diesem Zusammenhang den neuen Begriff »Sozioökologie«. Ihre ergiebigsten Ausflüge unternahm diese neue Wissenschaft zu den Antilopen- und Affengesellschaften. Aus zwei Untersuchungen kam man zu dem Schluß, daß man das Paarungssystem von Antilopen und Affen mit großer Sicherheit aus deren Ökologie vorhersagen könne. Kleine Waldantilopen sind in ihrer Ernährung recht wählerisch. Sie leben daher einzeln und sind monogam. Mittelgroße Antilopen im offenen Buschland leben in kleinen Gruppen und bilden Harems. Große Savannenantilopen wie die Elenantilope leben in großen Herden, die von Promiskuität geprägt sind. Auf den ersten Blick scheint sich das System bei Affen nicht sonderlich von diesem Bild zu unterscheiden. Kleine, nachtlebende Buschbabys leben einzeln und sind monogam, vegetarisch lebende Indris leben in Harems, die in baumbestandenen Savannen lebenden Schimpansen bilden große von Promiskuität beherrschte Gruppen. Paviane der Savannen bilden große Harems oder Gruppen mit mehreren Männchen. 22 All das erweckte den Anschein, als habe ein solcher biologischer Determinismus etwas zu bedeuten. Dahinter schien die Logik zu stehen, daß Säugerweibchen sich ohne Rücksicht auf sexuelle Gegebenheiten für das Leben allein, in kleinen oder in großen Gruppen entscheiden, und zwar allein dem Diktat von Nahrungserwerb und Sicherheit gehorchend, wohingegen Männchen darauf aus seien, so viele Weibchen wie möglich zu monopolisieren – entweder indem sie Gruppen von Weibchen direkt beschützen, oder indem sie ein Revier bewachen, in dem Weibchen leben. Einzeln und weit verstreut lebende Weibchen lassen den Männchen nur eine Chance: das Revier mit einem einzelnen Weibchen zu teilen und dessen treuer Ehemann zu werden (wie zum Beispiel bei den Gibbons). Weibchen, die weniger weit voneinander entfernt leben, geben den Männchen die Gelegenheit, die Reviere mehrerer Weibchen mit Beschlag zu belegen (wie beim Orang-Utan). Kleine Weibchengruppen geben den Männchen die Chance, die ganze Gruppe in Besitz zu nehmen und als Harem zu betrachten (wie bei den Gorillas).
    Große Gruppen müßte es mit anderen Männchen teilen (wie bei den Schimpansen).
    Dieses Bild wird durch einen weiteren Faktor kompliziert, und zwar durch die Tatsache, daß die jüngere Geschichte einer Art Einfluß darauf haben kann, welchem Paarungssystem diese Art schließlich zuneigt, oder einfacher ausgedrückt, dieselbe Ökologie kann zwei verschiedene Paarungssysteme zur Folge haben, je nachdem, welcher Weg beschriften wird. In den Mooren von Nordostengland leben Birkhühner und Schottische Moorschneehühner in nahezu identischen Lebensräumen.
    Zwar bevorzugen die Birkhühner eher von niedrigen Büschen und Unterholz bewachsenes Gelände, das von den Schafen nicht allzusehr abgegrast wird, im übrigen aber sind sie ökologische Geschwister. Die Birkhühner jedoch kommen im Frühling zu einer spektakulären Arenabalz zusammen, bei der sich sämtliche Weibchen mit nur einem oder mit zwei

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